Agenda 2010
: Das kohlenschwarze Kalb

Die „Ruhrstadt“ wollte niemand. Aber Europäische Kulturhauptstadt 2010 sein – das wollten viele. Nach vielen Wehen gibt es seit gestern die dazu gehörende Betreibergesellschaft „Ruhr 2010 GmbH“. Das Ruhrgebiet kann sich endlich als europäische Metropol-Region vermarkten. Das System Metropolis funktioniert perfekt: Die Oberschicht kann sich rauschende Vergnügungen leisten, während arbeitende Menschen draußen bleiben müssen. Alles überwacht von den alten und neuen Türmen Babel in der Stellvertreterstadt Essen.

Nein, im Ruhrgebiet herrscht kein richtiges Fritz-Lang-Szenario. Natürlich nicht. Es gibt ja auch keinen Filz hier. Nur saubere Kohle. Die olle Metropolis-Herz-Maschine, die hier die magere Suppe „Utopie im Revier“ (im Rest von NRW natürlich auch) am Kochen hält, sind nicht die Kommunen, sondern ist das Sponsoring. Förderst du die Ruhrtriennale (RAG), dann fördere ich das Klavierfestival Ruhr (RWE) und wenn richtig Not im Stadtsäckel ist, dann gibt es auch mal ein neues Folkwang-Museum in Essen (Thyssen/Krupp). Konzerne, die in diesem Sinne Geld verteilen, sind keine Mäzene. Sie erwarten einen ökonomischen Nutzen und wenn der nur darin liegt ein angekratztes Image aufzupolieren. Aber die meisten machen mit ihren Euros schnöde Werbung.

Kommen wir zurück zum goldenen Kalb, das in den Essener Firmen-Hochhäusern zuhause ist. Das Karl Valentin-Zitat „Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit“ wird heute in den Hinterköpfen der Politiker umformuliert in „Kunst ist schön, kostet aber auch viel Geld“. Insofern ist die Entscheidung nachvollziehbar, Werner Müller, den Vorstandsvorsitzenden der RAG Aktiengesellschaft und Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn AG auch zum Aufsichtsratsvorsitzenden der neuen „Ruhr 2010 GmbH“ zu machen. Irgendwoher müssen die Millionen Euro ja herkommen, die der Kulturhauptstadtprozess in den nächsten drei Jahren und im Ereignisjahr verschlingen wird.

Aber irgendwie gibt es immer ein Aber. Dazu ein „Wenn – Dann“. Und am schlimmsten, die böse Kausalität zwischen „Wenn – Dann nicht“. Dass Herr Müller das Ruhrgebiet mag, kann jeder auf seiner Internetseite (www.i-love-ruhrgebiet.de) nachlesen. Welche Kunst sein Konzern mag, zeigte 2006 der Harzer Käse am RAG-Gebäude in Essen. Otmar Alt, geboren in Wernigerode, heute „Bürger des Ruhrgebiets“, zeigte, was Kultursponsoring bedeutet: Positives Image entsteht am besten durch gefällige Kunst.

Oliver Scheytt, der Essener Kulturhauptstadtmoderator und jetzt alleiniger Geschäftsführer der Ruhr 2010 GmbH, muss nun Mittler sein – nicht zwischen Hirn und Hand wie in Metropolis – sondern zwischen Qualität und Kapital aus der Region.