Kurs auf Rio

BOOTE Mehr als 4.500 SeglerInnen treten seit Samstag bei der 132. Kieler Woche gegeneinander an

In kaum einer anderen Sportart treten die paralympischen Athleten so stark als Repräsentanten der gesamten Sportart in Erscheinung wie beim Segeln. Das liegt zum einen daran, dass die paralympischen Segler voll integrierter Bestandteil des als Nationalmannschaft fungierenden Sailing Teams Germany (STG) sind. Vor allem stehen sie aber im Vordergrund, weil sie mit Heiko Kröger (2.4mR) und Jens Kroker, Robert Prem und Siegmund Mainka (Sonar) deren Aushängeschilder stellen.

Die beiden paralympischen Boote erfüllten mit ihren zweiten Plätzen bei den Spielen in London vor zwei Jahren als einzige die hochgesteckten Medaillenträume des STG, der 2010 mit beträchtlichen Geldmitteln angetreten war, das deutsche Segeln zu professionalisieren und bis zu den Olympischen Spielen in Rio 2016 wieder an die Weltspitze zu führen.

Auch am ersten Tag der Kieler Woche, deren Regatten den Abschluss des Eurosaf Champions Sailing Cups bilden, hatten Kröger und Kroker die Nase vorn. „Alles hat perfekt geklappt und so konnte ich mit guten Abstand zur Konkurrenz zwei erste Plätze rausholen“, sagte Kröger. „Ich bin sehr zufrieden.“

Nicht so gut lief es am ersten Tag dagegen, wie schon in der gesamten Saison, für Deutschlands Topsegler in den olympischen Klassen, den Kieler Lokalmatador und Titelverteidiger im Laser Standard, Philipp Buhl. Im zweiten Lauf wurde er disqualifiziert und darf sich nun keinen weiteren Ausfall mehr leisten. „Die Presse-Hyänen haben mich nach dem Segeln heute fast gefressen“, sagte Buhl, „I like!“

Für das vom STG ausgegebene Ziel, in Rio drei Medaillen zu holen, gelten außerdem Erik Heil und Thomas Plößel (49 Skiff), die im bisherigen Jahresverlauf die Erwartungen ebenfalls noch nicht erfüllten, sowie Toni Wilhelm (RS:X Surfboard) als Kandidaten. Bei den Frauen sorgte Svenja Weger (Laser Radial) in der letzten Woche mit dem Europameistertitel für das Saisonhighlight. Damit lässt sich auch der unerwartete Rücktritt der Olympiafünften im Surfen, Mona Delle, etwas leichter verwinden.

Egal wer sich bei den Weltmeisterschaften in Santander im Herbst für die Olympia-Mannschaft qualifiziert – die Vorfreude ist getrübt, seit bekannt wurde, dass das olympische Segelrevier in Rios Guanabara Bay einer Kloake gleicht und der Bürgermeister erklärte, die Bucht sei bis zu den Wettbewerben nicht sauber zu bekommen.

Da kommen auch ganz neue Aufgaben auf die Softwarespezialisten zu, die für die Segler Simulationen der Strömungs- und Wellenbewegungen der Segelreviere errechnen. „Wir können jetzt die komplexen Meeresströmungen in Rio simulieren“, sagt STG-Chef Arne Dost. Ob auch größere Vorkommen von Müll, Fäkalien und Tierkadavern in die Berechnungen mit einbezogen werden, ist nicht bekannt. Umso mehr genießen die olympischen und paralympischen Segler noch bis Mittwoch das Revier in der Kieler Bucht.  RALF LORENZEN