MATTHIAS SAMMER VON STEFAN OSTERHAUS
: Der Messias

wer einmal einen Blick auf die Mode der späten achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Kreisen der Bundespolitik wirft, der wird feststellen, dass Kanzler Kohl die Strickjacke vor allem bei schwierigen Verhandlungen als wärmendes Kleidungsstück über die Maßen schätzte. Strickjackenbewehrt handelte er im Kaukasus die Einheit aus, und auch Matthias Sammer schätzt am heimischen Küchentisch solch praktische Kleidung, zumal im Winter. Der Sportdirektor des DFB gilt unter Freunden als stockkonservativ – und das muss gar kein Nachteil sein.

Am Freitag erteilte Sammer dem HSV eine Abfuhr, jenem Klub, bei dem er wie der Messias herbeigesehnt worden war. Die Palmwedel lagen schon bereit, und anstatt des Esels hätte es sicher eine ordentliche Dienstlimousine getan. Doch Sammer bleibt in Frankfurt, und es kann durchaus mit der Erkenntnis zusammenhängen, dass ein Klub wie Hamburg ein Nümmerchen zu klein für einen wie ihn ist. Denn Sammer, obschon mit 43 Jahren noch vergleichsweise jung, hat einiges vorzuweisen neben seiner Laufbahn als Weltklasse-Fußballer: In Dortmund brachte er als Exspieler das Unmögliche fertig, indem er die Kollegen von einst als Trainer zum Titel führte. Beim DFB kehrte der Erfolg im Nachwuchsbereich erst ein, als Sammer erklärte, dass der jeweilige Bundestrainer ein Trainer und kein Herbergsvater ist und gefälligst Titel gewinnen soll. Dass alle taten wie ihnen geheißen, zeugt von Sammers Autorität, und wahrscheinlich schießt sich der DFB ins eigene Knie, wenn er gegen den Willen Sammers und auf Empfehlung von Bundestrainer Löw einen Mann wie den erfolglosen Rainer Adrion als Nachwuchstrainer nicht ablöst.

Der Konflikt im DFB galt vielen als Triebfeder des möglichen Wechsels. Doch Sammer bleibt – womöglich, weil er sicher ist, die Löw-Combo aussitzen zu können, doch bestimmt, weil er erkannt hat, dass Hamburg für einen wie ihn keine Alternative ist. Im Klubfußball täten es allenfalls die Bayern. Aber die haben ja Christian Nerlinger.