ERICH RATHFELDER ÜBER DIE GEWALTSAMEN PROTESTE IN ALBANIEN
: Hinterlassenschaft der Diktatur

Die Psychologie des Steinzeitkommunismus des Enver Hoxha in Albanien ist auch noch 20 Jahre nach dem Sturz der Diktatur spürbar. Zu der Hinterlassenschaft des einstigen geliebten Führers gehört die Kompromisslosigkeit zur Machterhaltung. Hunderttausende wurden damals in Straflager gesteckt, die geringsten Anzeichen von Opposition gewaltsam unterdrückt.

Die politischen Parteien sind bis heute nicht in der Lage, dieses Erbe abzuschütteln. Die beiden Führer, der „Demokrat“ Sali Berisha und und der „Sozialist“ Edi Rama gebärden sich wie zwei Stiere, die aufeinander losrasen. Es geht um die Macht. Und damit um die Fleischtöpfe. Für Wahlfälschungen und Korruption sind beide Parteien gut. Was die Sozialisten jetzt den Demokraten vorwerfen, haben sie selbst auch schon getan.

Die Zeche zahlt die Bevölkerung. Vor allem die jungen Menschen leiden unter der Arbeitslosigkeit. Und wer Arbeit hat, wird lausig bezahlt. 200 Euro Durchschnittseinkommen bei höheren Preisen als in Deutschland sind nicht menschenwürdig. Es zeichnen sich auch keine Verbesserungen ab. Die Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre, vor allem in Griechenland, wo viele Albaner als Gastarbeiter leben, hat die albanische Gesellschaft hart getroffen. Denn die Überweisungen aus dem Ausland halfen ganzen Familienclans zu überleben.

Und so gärt es vor allem bei den jungen Menschen. Sozialpolitische Proteste liegen in der Luft. Sie haben jedoch noch kein Sprachrohr oder eine Organisation gefunden. Die Gewerkschaften sind von den Parteien funktionalisiert, die Zivilgesellschaft steckt in den Kinderschuhen. Die Kampagne der Sozialisten gegen Wahlfälschung und Korruption lenkt so gesehen von den eigentlichen Problemen der Gesellschaft ab. Albanien braucht eine neue politische und soziale Kultur.

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