„Mehr Themen auf der Tagesordnung“

Bürgerbegehren machen die Politik für kleine Gruppen attraktiver, sagt der Politikwissenschaftler Theo Schiller

taz: Herr Schiller, wie verändert sich die Politik, wenn Bürger sich direkt daran beteiligen?

Theo Schiller: Man kann auf Landesebene feststellen, dass Volksbegehren zu einer beträchtlichen Öffnung des politischen Prozesses führen. Es kommen zusätzliche Themen auf die Tagesordnung und es treten auch politische Gruppen in Erscheinung, die sonst nicht stark in der Politik vertreten sind. In Freiburg gab es zum Beispiel einen spektakulären Bürgerentscheid gegen den Verkauf städtischer Wohnungen. Da haben sich soziale Gruppen zusammengetan und waren erfolgreich.

Beteiligen sich viele Bürger mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden an der Politik?

Es gibt verschiedene Nutzungsmuster in den Bundesländern. Wenn die Regeln für Bürgerentscheide sehr restriktiv sind, kommen sie natürlich nicht so oft vor. Wenn die Regeln lockerer sind, sind sie aber durchaus häufig. Spitzenreiter ist München. Nordrhein-Westfalen hat im Ländervergleich bisher relativ viele Verfahren gehabt. Trotzdem gab es in zirka 40 Prozent der Gemeinden bisher keine Bürgerbegehren.

Wie sieht Ihre Bilanz der Bürgerbegehren für 2006 aus?

Die Erfolgsquote hat sich im Rahmen gehalten. Etwa ein Viertel der angemeldeten Begehren hat im Entscheid gewonnen. Dazu kommen etwa 15 Prozent indirekte Erfolge. In so einem Fall übernimmt entweder die Gemeindevertretung das Begehren und es kommt gar nicht erst zum Entscheid, oder es gibt eine Kompromisslösung und das Bürgerbegehren wird zurückgezogen.

Kommt es oft vor, dass auch rechte Gruppen Bürgerbegehren starten?

Das kommt nur vereinzelt vor, im Osten Deutschlands etwas mehr als im Westen. Man sollte eigentlich denken, das passiere häufiger.

Sie sind Leiter der Forschungsstelle Bürgerbegehren und Direkte Demokratie. Was machen Sie da eigentlich?

Wir dokumentieren Verfahren der Bürgerbeteiligung bundesweit in Zusammenarbeit mit dem Verein Mehr Demokratie. Außerdem werten wir diese Verfahren und die Probleme, die es damit gibt, aus.

INTERVIEW: JULIA GROTH