Kaliversalzene Einheitssuppe

PRIVATISIERUNG Der Freistaat Thüringen bleibt auf Altlasten der ehemaligen Kaligruben sitzen. Profiteur ist Kali + Salz: Der Konzern luchste der Treuhand damals einen geschickten Vertrag ab. Der passte das gut

DRESDEN taz | Mehr als 20 Jahre nach der Abwicklung der ostdeutschen Kaliindustrie wird Thüringen von den Spätfolgen der damaligen Privatisierungswelle eingeholt. Der Freistaat muss die steigenden Kosten für die Sanierung und Sicherung stillgelegter Bergwerke allein tragen. Hintergrund sind ein Geheimvertrag zwischen dem Kasseler Kali-und-Salz-Konzern (K+S) und der Treuhand von 1993 und ein Abkommen Thüringens mit dem Bund von 1999. Erst im Frühjahr wurden die brisanten Anlagen des Vertrags öffentlich.

Die Privatisierung der ostdeutschen Kaliindustrie erhärtete nach 1990 den üblen Ruf der Treuhand als Verwalterin der DDR-Staatsbetriebe. Sie habe „tiefe Wunden hinterlassen“, sagt der heutige Thüringer Kultusminister Christoph Matschie (SPD). Vom Kali-Fusionsvertrag 1993 profitierte ausschließlich K+S. Die Idee war, mögliche ostdeutsche Konkurrenten in Merkers und im eichsfeldischen Bischofferode zu liquidieren. In Bischofferode wehrten sich die Kumpel wochenlang mit einem Hungerstreik unter Tage gegen die Schließung ihrer Grube – vergeblich. K+S dagegen bekam gut 1 Milliarde Mark von der Treuhand und musste weder für einen Sozialplan noch für die ökologische Sanierung der mitteldeutschen Kaliwerke zahlen.

Nicht einmal die thüringische Landesregierung kannte die Einzelheiten des Vertrags, als sie 1999 mit dem Bund darüber verhandelte, welche Mittel K+S für die Altlastensanierung bekommen sollte. Erst dieses Frühjahr tauchte beim Linken-Fraktionschef im Landtag, Bodo Ramelow, eine Kopie auf – Ramelow war vor 20 Jahren Gewerkschaftssekretär im Eichsfeld. Opposition und mitregierende SPD fordern einen Untersuchungsausschuss. Und auch Regierungssprecher Karl-Eckhardt Hahn (CDU) hat bereits Zustimmung signalisiert.

Nach Auffassung der Opposition hätte das Land die Altlasten-Kostenfalle vermeiden können, wenn es den Kalivertrag von 1993 gekannt hätte, als es 1999 das Abkommen mit der Treuhandnachfolgerin Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderausgaben verhandelte. Damals zahlte der Bund einmalig 227 Millionen Euro an den Freistaat, der danach allein die Kosten für den Eigentümer und Sanierungsauftragnehmer K+S zu tragen hat. Die ursprünglich auf 457 Millionen Euro bezifferten Gesamtkosten steigen. Jährlich fließen aus Thüringer Steuergeldern 20 Millionen Euro an K+S. Nicht genug: Der Konzern hat das Land auf Zahlung von weiteren 2,3 Millionen Euro verklagt.

Da könne man herauskommen, meint Linken-Fraktionschef Ramelow, wenn man in Kenntnis des Geheimvertrages neu verhandele. Matschie will außerdem genau wissen, wofür K+S die Sanierungsgelder eigentlich einsetze.

Vor allem aber richten sich die Bemühungen seit 2009 auf eine Beteiligung des Bundes an den unerwarteten Mehrkosten, wie das Thüringer Umweltministerium bestätigt. Dem erteilt das Bundesfinanzministerium auf taz-Anfrage eine Absage. Bei der abschließenden Regelung 1999 seien auch den Thüringern entsprechende Risiken bekannt gewesen. Eine Öffnungsklausel des Vertrages für gestiegene Kosten ist nach Auffassung des Schäuble-Ministeriums unwirksam. Ein vergleichbar umfangreiches Bundesprogramm wie für den ehemaligen Wismut-Uranbergbau gibt es für die Salzgruben nicht. MICHAEL BARTSCH