Tod in der Silvesternacht

Österreichs Innenministerin Liese Prokop erliegt einem Aortariss. Sie stand vor allem für eine Verschärfung des Fremdenrechts und des Staatsbürgerschaftsgesetzes

WIEN taz ■ Liese Prokop, die Innenministerin der am 1. Oktober abgewählten aber noch immer interimistisch amtierenden österreichischen Regierung, ist am Silvesterabend überraschend gestorben. Sie erlag einem Riss der Aorta nahe dem Herzen auf dem Transport zum Krankenhaus der niederösterreichischen Hauptstadt St. Pölten. Die 65-jährige ehemalige Spitzensportlerin hatte zwei Jahre als Innenministerin im Kabinett Wolfgangs Schüssels gedient. Lange Jahre war sie ÖVP-Landespolitikerin in Niederösterreich und enge Vertraute von Landeshauptmann Erwin Pröll. Sie gehörte zu den wenigen Quereinsteigerinnen aus dem Sport, die mehr als ein kurzzeitiges Dekorationsstück in der Politik blieb.

Prokop war in den letzten Monaten vor allem in Zusammenhang mit der Verschärfung von Fremdenrecht und Staatsbürgerschaftsgesetz, die 2006 in Kraft traten, in die Schlagzeilen gekommen. Menschenrechtsorganisationen würdigten sie zwar als verbindlichere Gesprächspartnerin als ihren Vorgänger, den unzugänglichen Ernst Strasser. Doch in der Substanz setzte sie dessen Politik fort: politische Umfärbung in Bürokratie und Polizeiapparat einerseits, Behandlung von Ausländern in erster Linie als sicherheitspolitisches Problem andererseits.

Prokop war zwar eine der wenigen ÖVP-Politikerinnen, die kein Geheimnis aus ihrer Abneigung gegenüber den Rechtsparteien FPÖ und BZÖ machte, doch half sie fleißig mit, deren politische Vorstellungen in ihrem Bereich in die Praxis umzusetzen. „Die Folgen des neuen Fremdenrechts sind dramatisch“, konstatierte vor wenigen Wochen Josef Weidenholzer, Präsident der Volkshilfe Österreich. „Die Zahl der Schubhäftlinge explodiert, Folteropfer werden in Haft genommen, Familien auseinandergerissen. Ihr einziges Vergehen: in Österreich um Asyl nachgesucht zu haben.“

Tatsächlich ist im Vergleich zu 2005 die Anzahl der Menschen in Abschiebehaft um 500 Prozent gestiegen, wie die in der Asylkoordination zusammengeschlossenen Menschenrechts- und humanitären Organisationen aufzeigten. Gegen mehrere Bestimmungen des Fremdenrechts laufen Anfechtungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof.

Besonders betroffen sind auch binationale Ehen, die unter dem Generalverdacht der „Scheinehe“ stehen, vor allem, wenn einer der Partner Asylbewerber war. Im vergangenen Jahr wurden mehrere Ehepaare durch Abschiebung auseinandergerissen, selbst wenn gemeinsame Kinder da waren. Prokop hat die Verschärfungen stets verteidigt und stolz auf sinkende Zahlen von Asylbewerbern und Immigranten verwiesen.

Umstritten ist auch die von Strasser eingeleitete aber von Prokop vollzogene Verschmelzung von Polizei und Gendarmerie zu einem einheitlichen Sicherheitskörper. Die Reform hat nicht nur zu Unbehagen bei den Exekutivbeamten geführt, sondern auch eine Reihe von Skandalen an der Spitze der Institution provoziert. Gegen zwei Polizeigeneräle wird wegen Korruption ermittelt.

Prokop errang bei den Olympischen Spielen von Mexiko 1968 die Silbermedaille im Fünfkampf. Ein Jahr später stellte sie einen Weltrekord in dieser Disziplin auf. Ihr österreichischer Rekord im Kugelstoßen hielt bis 1999. Sie war mit dem Handballtrainer Gunnar Prokop verheiratet und hatte zwei erwachsene Kinder. RALF LEONHARD