„Demokratie bedeutet nicht, dass man einen Diktator hinrichtet“

Der irakische Oppositionelle Hussain Al-Mozany verurteilt das Gerichtsverfahren gegen Saddam Hussein, das Todesurteil und den Zeitpunkt der Vollstreckung des Urteils

BERLIN taz ■ Die Hinrichtung des irakischen Diktators Saddam Hussein war in jeder Hinsicht ein nicht zu rechtfertigender politisch motivierter Mord an einem Kriegsgefangenen. Dies sage ich trotz meiner mehr als dreißigjährigen Gegnerschaft zu Saddams Diktatur, trotz des Leids, das dieses Regime nicht nur meiner Familie und mir zugefügt hat.

Die jetzige Machtclique in Bagdad scheint ausschließlich nach Gutdünken der USA und des Iran zu handeln und keineswegs nach dem Willen des Volkes, wie es in der Urteilsbegründung hieß. Das Gerichtsverfahren, das Todesurteil und der Zeitpunkt der Vollstreckung deuten auf eine absolut falsche, bedenkliche Demokratievorstellung hin. Denn Demokratie bedeutet meines Erachtens nicht, dass man einen Diktator hinrichtet.

Haben wir Iraker nicht schon genug Schauprozesse und Massaker in diesem geschundenen Land erlebt? Etwa das Massaker an der königlichen Familie am 14. Juli 1958? Oder die im Fernsehen live übertragene Hinrichtung des Revolutionsführers General Qassim am 8. Februar 1993? Oder die „demokratischen Exekutionen“ an fünfundfünfzig Funktionären der Baath-Partei am 8. August 1979, unmittelbar nachdem Saddam die Macht endgültig an sich gerissen hatte?

Als er sich von seinen Halbbrüdern zum letzten Mal verabschiedete, ahnte Saddam schon, dass seine Hinrichtung unmittelbar bevorstand: „Ich lege mein Schicksal als Märtyrer lieber in die Hände meiner Feinde, als die Qualen des Gefängnisses zu erleiden.“ So gesehen ist die Exekution in Wahrheit nach seinem Willen geschehen.

Während Saddam von den Amerikanern an den Galgen der frisch gebackenen „Demokraten“ Iraks ausgeliefert wurde, genießen seine Mitstreiter weiterhin hohes Ansehen bei den neuen Machthabern in Bagdad. Der langjährige Chef des irakischen Nachrichtendienstes Wafiq al-Samarai zum Beispiel, der schriftlich zugegeben hat, die Besetzung Kuwaits sowie die Giftgaseinsätze mitgeplant zu haben, wurde kurzerhand zum Sicherheitsberater des Staatspräsidenten Talabani ernannt. Talabani selbst hat Saddam Hussein kurz vor seinem Sturz „herzlich“ umarmt und geküsst. Die Bilder dieser Begegnung gingen um die Welt. Dennoch hat er von seinem Recht, die Hinrichtung zu verhindern oder zumindest zu erschweren, keinen Gebrauch gemacht. Stattdessen hüllt er sich nach wie vor in Schweigen.

Noch schwerwiegender ist der Zeitpunkt der Vollstreckung des Urteils: Um fünf Minuten nach sechs, am ersten Festtag des muslimischen Opferfestes, also genau zu dem Zeitpunkt, an dem das rituelle Schlachten in Anlehnung an den Erzvater Abraham begann, schlachteten die Henker in Bagdad ihr politisches Opfertier Saddam. Das hat die Sunniten und ihre Potentaten massiv verärgert, ja in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Die blutige Vergeltung dafür wird nicht lange auf sich warten lassen. Trotzdem spricht Iraks Premier Maliki nach der Liquidierung eines „Tyrannen, der keine Konfession außer seinem boshaften Selbst repräsentierte“, von „Versöhnung“.

HUSSAIN AL-MOZANY