„Da fasst man sich an den Kopf“

Wie der erfolgreiche kurdischstämmige Bremer Bauunternehmer Z.M. deutscher Staatsbürger werden wollte – und dabei zu seinem Nachteil zwischen die Linien von Verfassungsschutz und Asyl-Bundesamt geriet

von Christian Jakob

Als der bayrische Innenminister Günter Beckstein vor einiger Zeit forderte, Deutschland brauche mehr Ausländer „die uns nützen“, dürfte er an Menschen wie Mehmet Z.M. gedacht haben. Der 32-jährige Kurde hat eine Baufirma mit zehn Angestellten aufgebaut, die in verschiedenen Ländern die Wände von Supermärkten verputzt. 2006 leistete M. zum vierten Mal in Folge „mit Abstand“ die höchste Steuerzahlung aller ausländischen Bewohner des Landkreises Osterholz-Scharmbeck. Der Unternehmer engagiert sich aus Sympathie für Gregor Gysi in der Linkspartei. Und seine besten Freunde seien Deutsche, sagt er. M. selber darf nicht Deutscher werden.

Es gibt Behörden, die glauben, er sympathisiere mit der PKK. Bewiesen hat das nie jemand. Andere Behörden wollen ihm seinen Pass wegnehmen, weil sie das Gegenteil glauben. Vor fünf Jahren beantragte M. bei der Stadt Bremen seine Einbürgerung. „Um die gleichen Rechte zu haben wie alle hier.“ Seitdem hat er alles versucht, um die Bedenken der Ausländerbürokratie gegen ihn auszuräumen. Nun hat er es endgültig aufgegeben. Und muss froh sein, wenn er am Ende der Geschichte nicht auch noch ohne Pass dasteht.

M. wurde 1974 im kurdischen Bingöl geboren. 1991 schickten ihn seine Eltern nach Deutschland, nachdem er wegen türkei-kritischer Äußerungen Schwierigkeiten bekommen hatte. Dem Regime galt er als PKK-Sympathisant – was Urban von sich weist. In Deutschland wurde er als politischer Flüchtling anerkannt, und erhielt, weil die Türkei ihm keinen Pass ausstellte, einen so genannten „§ 51“-Ersatzpass nach der Genfer Flüchtlingskonvention.

Er heiratete, bekam eine Tochter und baute seine Baufirma in Bremen-Walle auf. Wegen gesicherter wirtschaftlicher Verhältnisse bekam er eine Niederlassungserlaubnis, die stärkste Form eines Aufenthaltstitels. 2001, elf Jahre nach seiner Einreise, erfüllte er alle Voraussetzungen für eine Einbürgerung. M. hatte sich längst entschlossen, für immer in Deutschland zu bleiben. Also ging er zum Einwohneramt und beantragte die deutsche Staatsangehörigkeit.

Im selben Jahr gründeten kurdische Geschäftsleute einen Unternehmerverband namens KARSAZ. Über diesen schreibt der bayrische Verfassungsschutz in seinem Bericht aus 2004: „Die Hauptaufgabe von KARSAZ ist es, die kurdische Arbeitswelt zusammenzuführen und die […] wirtschaftlichen und demokratischen Werten Europas […] [nach] ‚Kurdistan‘ zu übertragen.“ Für M. machte das Sinn. „Viele meiner Kunden sind Kurden. Der Verband war gut für mein Geschäft,“ sagt er. Also trat er 2002 KARSAZ bei. Auf der nächsten Jahreshauptversammlung wurde M. in den Vorstand des Verbandes gewählt.

Sein Pech: Kurz vor seinem Beitritt hatte das Bundesinnenministerium ein Ermittlungsverfahren gegen KARSAZ eingeleitet. Der Verband stand im Verdacht, die PKK finanziell zu unterstützen. KARSAZ weist die Vorwürfe zurück. Der Verband ist nach wie vor ins Vereinsregister eingetragen und als gemeinnützig anerkannt. „Wenn an den Vorwürfen etwas dran gewesen wäre, hätte der Verband längst verboten sein müssen,“ sagt M.s Rechtsanwalt Albert Timmer.

Dem Verfassungsschutz war das egal. „Wir erheben Bedenken gegen eine Einbürgerung des Herrn M.“, schrieb der Inlandsgeheimdienst im Juli 2003 an den zuständigen Landkreis Osterholz – und verwies zur Begründung auf das Ermittlungsverfahren gegen KARSAZ.

„Mit der PKK hatte ich nie etwas zu tun“, sagt M.. Für ihn war klar: Wenn die Behörden ein Problem mit seiner Verbandsarbeit hätten, dann würde er diese eben einstellen. Die Einbürgerung war ihm wichtiger. „Ich habe mein Amt bei KARSAZ niedergelegt und bin 2004 dort ausgetreten.“ Die geforderte „Loyalitätserklärung“ mit der der Staat prüft, ob eine „innere Hinwendung“ zur Bundesrepublik stattgefunden habe, gab er ab.

Es nützte nichts: „Der Rücktritt des Herrn M. muss als rein strategisch bewertet werden. Wir erhalten unsere Bedenken aufrecht“, schrieb der Verfassungsschutz auf erneute Anfrage der Einbürgerungsbehörde. Am 14. Dezember 2005 bestätigte das Oberverwaltungsgericht Stade die Ablehnung letztinstanzlich.

Doch M. hatte nun ein weit größeres Problem. Weil der Verfassungsschutz ihn offenbar nicht für sauber hielt, ließ die Osterholzer Ausländerbehörde beim Asyl-Bundesamt in Nürnberg prüfen, ob man M. nicht seine Anerkennung als politischer Flüchtling entziehen müsse. Als „Extremist“ missbrauche er womöglich das Gastrecht, meinte man in Osterholz.

Das Bundesamt ging gewissenhaft zu Werke und prüfte alle zur Verfügung stehenden Erkenntnisse. Das Ergebnis bekam M. schriftlich: „Der Verdacht der PKK-Nähe oder -Unterstützung, von wem auch immer geäußert, hat sich für das Bundesamt nicht ergeben.“ Und deswegen, so folgerte die Behörde, habe M. auch nicht mehr als politischer Flüchtling zu gelten. Da er der PKK nicht nahe stehe, brauche er bei einer Rückkehr in die Türkei keine Verfolgung zu befürchten, dachte man sich – und forderte prompt den Flüchtlingspass des Bauunternehmers zurück.

M. war fassungslos: „Die einen sagen, ich gehöre zur PKK und darf deswegen nicht Deutscher werden. Die anderen sagen, ich gehöre nicht dazu und wollen mir deswegen meinen Flüchtlingsstatus entziehen. Da fasst man sich doch an den Kopf.“ Abschieben kann man ihn wegen seiner Niederlassungserlaubnis zwar auch bei Entzug des Passes nicht. Aber künftig könnte er sich nur noch innerhalb des Schengen-Raumes bewegen. „Für meine Geschäfte wäre das eine Katastrophe“, sagt er.

M. zog gegen die Verfügung vor Gericht. Am 29. Januar wird der Fall vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg verhandelt. Einen neuen Einbürgerungsantrag will er nicht mehr stellen. „Die ganze Sache hat mich unglaublich viel Nerven gekostet – das stehe ich nicht noch einmal durch“, sagt er.