„Es gibt immer noch Blutdiamanten“

Trotz der internationalen Maßnahmen zur Eindämmung des Diamantenschmuggels werden mit Rohstoffhandel immer noch Konflikte in Afrika geschürt, warnt Karel Kovanda, der neue Präsident des „Kimberley-Prozesses“

taz: Herr Kovanda, jahrelang gab es den Vorwurf, dass mit Diamantenschmuggel in Afrika Bürgerkriege finanziert werden. 2003 initiierte die Diamantenindustrie deshalb den „Kimberley-Prozess“: Nun dürfen nur noch staatlich zertifizierte Diamanten gehandelt werden. Hat das funktioniert?

Karel Kovanda: Ja, der Kimberley-Prozess hat große Fortschritte gebracht. 2003 machten „Blutdiamanten“ nach Schätzungen von NGOs 15 Prozent des globalen Diamantenhandels aus. Damit konnte man ziemlich viele Waffen kaufen. Die Diamantenindustrie selbst sprach eher von 4 Prozent, aber auch das wäre viel. Heute, nach drei Jahren Kimberley-Prozess, wird der Anteil auf 0,2 Prozent geschätzt.

Seit Anfang 2007 ist die Leitung des „Kimberley-Prozesses“ auf die EU übergegangen. Warum muss man sich noch mit Diamantenregulierung beschäftigen?

Weil es immer noch „Blutdiamanten“ gibt – auch wenn es wenige sind. Und es gibt noch Bürgerkriege, in denen Diamantenhandel eine Rolle spielt. Eine ist die Elfenbeinküste, wo es Diamantenvorkommen in den Rebellengebieten gibt. Die andere, über die ich mir große Sorgen mache, ist die Zentralafrikanische Republik, wohin sich Bürgerkriege aus Sudan und Tschad ausbreiten. Die Zentralafrikanische Republik ist ein Diamantenproduzent, und wir müssen sicherstellen, dass die Diamanten nicht außer Landes geschmuggelt werden und Warlords finanzieren. Wir müssen noch sehen, wie wir das machen.

Was tun Sie konkret in der Elfenbeinküste?

Wir glauben, dass ivorische Diamanten über Ghana auf den Weltmarkt geschmuggelt werden. Der Kimberley-Prozess soll eigentlich sicherstellen, dass Diamanten nicht ohne staatliches Herkunftszertifikat auf den Markt kommen können. Also denken wir, dass ivorische Diamanten fälschlicherweise ghanaische Zertifikate bekommen. Ghana soll nun einen Aktionsplan über straffere Kontrollen vorlegen und innerhalb von drei Monaten umsetzen. Danach würden wir vor Ort überprüfen, ob ghanaische Diamanten wirklich nur aus Ghana kommen.

Wie prüft man das?

Wir haben Experten, die eine Diamantenprobe untersuchen und sagen, ob sie aus dem Fördergebiet kommt, das als Ursprungsgebiet angegeben ist. Das Profil ivorischer und ghanaischer Diamanten ist sehr unterschiedlich, also ist die Unterscheidung kein großes Problem. Wir müssen nun die internen Kontrollprozesse in Ghana in Ordnung bringen, damit ivorische Diamanten nicht als ghanaische verkauft werden.

Sie selbst haben kürzlich vorgeschlagen, dass die Kontrollmechanismen für Diamanten auch auf andere Waren ausgedehnt werden sollten. Woran denken Sie dabei?

Diamanten sind etwas Besonderes, man kann die Mechanismen des Kimberley-Prozesses nicht einfach auf andere Produkte übertragen. Aber die Frage, wie Ressourcenausbeutung Konflikte finanziert, muss genauer untersucht werden. Auf EU-Ebene haben wir kriegsfördernde Tropenholzexporte untersucht. Für Holz braucht man andere Kontrollen als für Diamanten, aber der Kimberley-Prozess ist eine Inspiration. In Botswana interessieren sich Leute für ähnliche Prozesse für Edelsteine und seltene Metalle. Wir wissen noch nicht, wie das geht. Das muss man mit Spezialisten der jeweiligen Industrien und Handelsketten besprechen.

Das sind alles Ideen. Was haben Sie konkret 2007 vor?

Zum einen die Konsolidierung des Kimberley-Prozesses. Wir brauchen mehr Transparenz bei den Statistiken des Diamantenhandels. Die Zahlen sind nicht der Öffentlichkeit zugänglich. Ein anderer Punkt ist die verbesserte Nachvollziehbarkeit des Handelsweges einzelner Diamanten und die Erweiterung des Kimberley-Prozesses. Es gibt Länder, die an einem Beitritt interessiert sind. Und wir wollen gegenseitige Überprüfungen machen: Jedes Mitglied sollte nächstes Jahr einmal untersucht werden.

Es gibt auch Gewalt bei Diamantenausbeutung, die nichts mit Finanzierung von Rebellen oder Terroristen zu tun hat. Es kann vorkommen, dass Armee und Polizei Diamantenschürfer angreifen, und es kann Konflikte zwischen Schürfern und privaten Armeen von Bergbaukonzernen geben. Was kann man dagegen tun?

Man darf das System nicht überfordern. Der Kimberley-Prozess sollte ein bestimmtes Problem behandeln: Bürgerkriege, die von Diamantenexporten finanziert werden. Bürgerkriege sind ein Hindernis für Entwicklung, also ist es ein erster Schritt, sie zu beenden. Es gibt aber noch weitere Menschenrechtsprobleme, mit denen die Diamantenindustrie sich befassen muss. Es wäre toll, wenn Gewerkschaften von Schürfern aus Brasilien oder anderen Ländern Mitglieder des Kimberley-Prozesses wären.

INTERVIEW: FRANÇOIS MISSER