Komasaufen ist nur was für Erwachsene

ALKOHOL Trinken bis zum Umfallen interessiert junge Teenager kaum noch. Aber ältere schlagen zu

Klinikbehandlungen nach Alkoholvergiftungen sind bei 10- bis 15-Jährigen deutlich zurückgegangen

Trinken bis zum Koma hat nach Einschätzung der Berliner Fachstelle für Suchtprävention nur für junge Teenager in der Hauptstadt an Reiz verloren. „Die größte Risikogruppe sind heute die 17- bis 20-Jährigen“, sagte Geschäftsführerin Kerstin Jüngling am Donnerstag. Ein Grund dafür sei, dass viele Eltern ihnen in diesem Alter weniger Grenzen setzten. Dazu komme bei vielen jungen Erwachsenen ein Gefühl von Unsicherheit zwischen dem Schulabschluss und dem Start ins Berufsleben.

In Berlin sind Klinikbehandlungen nach Alkoholvergiftungen bei den 10- bis 15-Jährigen zwischen 2008 und 2012 deutlich zurückgegangen. Bei den 15- bis 20-Jährigen stiegen sie dagegen an. Durchschnittlich kamen in den vergangenen Jahren rund 400 junge Berliner nach Rauschtrinken in eine Klinik.

Jüngling wertet den positiven Trend bei den Jüngeren als Erfolg der Prävention. Von Aufklärungskampagnen bis hin zu Testkäufen habe sich in der Gesellschaft die Einstellung verstärkt, dass man bei Kindern und Alkohol aufpassen müsse. Genau dieser Ansatz fehle aber für die älteren Jugendlichen. „Da heißt es schnell, der ist doch schon 17 oder 18. Da kann er selbst auf sich aufpassen“, ergänzte die Expertin. Ab 18 dürfen Teenager auch nach dem Jugendschutzgesetz bei allen alkoholischen Getränken zugreifen. Die Frage bleibt das Maß.

Natürliche Selbstverantwortung bei 17- bis 20-Jährigen sei oft ein Fehlschluss, sagte Jüngling. Viele Jugendliche in diesem Alter würden überschätzt – und fühlten sich alleingelassen. „Bei riskantem Alkoholkonsum geht es nicht nur um Gruppendruck“, erläuterte die Suchtberaterin. Wenn Eltern keine Verbote mehr aussprächen und auch nicht nachfragten oder kontrollierten, deuteten ältere Teenager das oft als Desinteresse an ihnen. „Sie wollen im Grunde, dass die Eltern sie noch bemuttern. Oder sie wollen eine Auseinandersetzung, in der Eltern klare Standpunkte vertreten und selber Vorbild sind.“

Suchtberaterin Jüngling schätzt aber, dass die Mehrzahl der Berliner Jugendlichen es heute ganz normal findet, an Wochentagen auf Alkohol zu verzichten. „Aber es bleibt eine kleine Gruppe übrig, die ins Leere fällt – und trinkt.“ (dpa)