KIM TRAU POLITIK VON UNTEN
: Frau mit Geschichte

Es gibt viele Worte für die eigene Geschlechtsidentität – und genauso viele Möglichkeiten, sie zu leben

Ich bin eine Frau. Heute schreibe ich diesen Satz selbstverständlich, weder mit Ausrufezeichen noch zögerlich fragend, sondern mit einem einfachen Punkt. Aber auf dem Weg dahin habe ich erfahren, dass es nicht die einzige Möglichkeit ist, mich zu definieren. Dass es viele Worte und Optionen gibt. So viele, dass es einige Menschen vielleicht verwirrt.

Manche würden sagen, ich sei eine Ex-TS – eine ehemals Transsexuelle. Das heißt: „geheilt“, erfolgreich an das weibliche Geschlecht angeglichen. Ich selber spreche von mir als Trans-Frau, allerdings nur an Orten und unter Menschen, die mir ein sicheres Gefühl geben. Damit möchte ich die Erfahrungen sichtbar machen, die mit meiner Transition, meiner Geschlechtsangleichung, zusammenhängen. Ich könnte mich genauso gut als Frau mit transsexueller Geschichte bezeichnen. Aber das kommt mir umständlich vor.

Vor kurzem musste ich an ein Gespräch in meinem ersten Semester denken. Ich kam gerade aus der Einführungsvorlesung der Genderstudies und unterhielt mich mit einer dieser vielen Personen, die ich erst kurz kannte. Die Themen der Vorlesung hallten noch in mir nach: „Frau“ und „Mann“, das sind keine unumstößlichen Wahrheiten, alles ist irgendwie konstruiert und von gesellschaftlichen Machtverhältnissen geprägt. Ich ahnte, dass das erst der Anfang meiner Beschäftigung mit dem Thema Geschlecht sein würde. Wir sprachen darüber, was das Gehörte mit uns ganz persönlich zu tun hat. Aus mir sprudelte es heraus: „Ich bin kein Mann. Ich habe mich nie als einer gesehen. Ich verstehe meine Geschlecht nicht im Sinne eines Entweder-Oder, eher als etwas Eigenes, Freies, Undefiniertes“. Jetzt, vier Jahre später, würde ich das nicht mehr so sagen.

Der Zweifel an der Uneindeutigkeit fing schon recht bald an. Etwa auf einer Transgender-Party. Ich fühlte mich in meinem Kleid nicht wohl. Ich hatte das Gefühl, dass mein Problem tiefer lag. Dass mein Körper das Problem war. Und mit jedem Schritt, mit dem ich mich neu entdecken wollte – Make-up, Frauenkleidung, Frisur – wurde mir klarer, dass dies wieder nur eine zweite Haut bleiben würde, wenn ich nicht die Mittel einsetzen würde, die die Medizin möglich gemacht hat: Hormone, Epilation und die geschlechtsangleichende Operation.

Das unterscheidet mich von denen, die sich als transgender oder genderqueer bezeichnen. Menschen, die ihre Geschlechtlichkeit nicht von ihrem Körper abhängig machen. Mein Weg war das nicht. Ich wollte nicht als „Mann in Frauenkleidern“ gelesen werden können und auch keine Frau mit Penis sein. Und ich habe gemerkt, dass ich das nicht kann: mich immer wieder erklären müssen. Aber ich bewundere GrenzgängerIinnen. Mir könnten manche vorwerfen, dass ich mich der Zweigeschlechtlichkeit gebeugt hätte und Frauenklischees nacheifere.

Was stimmt, ist: Ich bin keine Geschlechter-Revolutionärin. Keine tagtägliche Kämpferin gegen Normen, Konventionen, Stereotype. Nicht mit meinem eigenen Körper. Aber ich trage Kleid und Make-up, wenn ich mich gut darin fühle. Nicht weil mein Frausein es mir vorgibt.

Die Autorin ist Studentin und leitet eine Trans*-Jugendgruppe in Berlin Foto: privat