„Ohne Frage traurig“

Über die Schwierigkeit, Marketing mit Ehrenamtlichen zu machen und die Erfolgschancen einer alternativen Wochenzeitung in Göttingen: Ein Gespräch mit Sandra Kotlenga vom Trägerverein des kürzlich eingestellten „Neuen Göttinger Wochenzeitung“

taz: Frau Kotlenga, mit welchen Gefühlen gehen Sie zum letzten gemeinsamen Aufräumen der Redaktionsräume der Neuen Göttinger Wochenzeitung ?

Sandra Kotlenga: Es ist ohne Frage traurig – andererseits ist es jetzt eine geklärte Situation. Ich finde es gut, dass wir uns da mit mehreren treffen, die in den letzten Jahren bei diesem Projekt Göttinger Wochenzeitung dabei gewesen sind, dann macht man es nicht so alleine mit sich aus.

Erst einmal hatten Sie sich vom Genossenschaftsmodell als Grundlage einer unabhängigen Wochenzeitung in Göttingen verabschiedet. Was haben Sie sich von dem Modell eines Trägervereins erwartet?

Das alte Projekt Göttinger Wochenzeitung war genossenschaftlich gestartet worden, um Startkapital zusammenzubekommen, aber auch wegen all der Mitbestimmungsmöglichkeiten einer Genossenschaft. Just an dem Tag, als die Genossenschaft im Sommer 2006 insolvent ging, hatten wir ein Informationstreffen veranstaltet, zu dem über 50 Leute kamen. Die haben sehr dafür plädiert, das Projekt fortzusetzen, und dann hat sich aus der Genossenschaft und dem Verein für Umweltbewusstsein und soziale Kommunikation ein neuer Aktivenkreis gegründet.

Trotzdem ist es nicht gelungen, mehr Göttinger für das Projekt zu interessieren.

Im Laufe der Zeit sind viele Leute für das Projekt aktiv geworden. Aber es lebt natürlich auch davon, dass es eine breitere Leserschicht anspricht. Das ist zum Teil gelungen, auch mit einer guten Entwicklung, die aber nicht ausreichte, um diese Struktur aufrecht zu erhalten.

Wie viele Leser hätten Sie denn gebraucht?

Das kann man so schlecht sagen. Eine Frage ist, wie viele verkaufte Exemplare es gibt, eine zweite, wie viele Anzeigenerlöse hineinkommen. Das hängt natürlich zusammen. Es war klar, dass wir in der nächsten Zeit nicht über 2.000 verkaufte Exemplare hinausgekommen wären – und von daher waren die Werbeeinnahmen begrenzt.

Sehen Sie im Rückblick Fehler, die Genossenschaft und Verein bei der Konzeption gemacht haben?

Es war auf jeden Fall richtig, es zu versuchen.Wir konnten viele Potentiale nicht ausschöpfen, weil wir dafür nicht genügend personelle Kapazitäten hatten. Wir hatten viele Ehrenamtliche, die Zeitungsstände machten oder Ausgaben verteilten – das Ganze ist ja überhaupt durch ehrenamtliches Engagement zustande gekommen. Daneben hatten wir Redakteure, die zwar schlecht bezahlt, aber fest angestellt waren. Wir hätten aber zum Beispiel mehr Marketing gebraucht, das wir nicht bezahlen konnten, und dass Leute so etwas ehrenamtlich verfolgen, war einfach nicht drin.

Wie viele Leute haben sich denn beteiligt?

Bei der alten Göttinger Wochenzeitung mit 32 Seiten waren es fünf Redakteure und Redakteurinnen und zwei Leute in der Verwaltung, bei der neuen mit 16 Seiten gab es zwei Redakteure und einen Geschäftsführer und daneben Ehrenamtliche, die auch mal geschrieben haben. Man muss aber dazu sagen, dass die Redakteure zwar hauptamtlich tätig waren, aber faktisch nicht bezahlt wurden. Vor dem zweiten Start wurde lange diskutiert, und dann kam es, von den Redakteuren durchaus befürwortet, zu dem Kompromiss, dass sich die Leute den möglichen Gewinn in einer Testphase teilen sollten. Aber da ist nicht viel übrig geblieben.

Gehen Sie trotzdem im Frieden auseinander?

Ja, durchaus.

Was für Leute hatten sich denn ehrenamtlich zu diesem Projekt zusammengetan?

Die kamen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen: zum Beispiel aus sozialen und kulturellen Initiativen. Bis die erste Zeitung herauskam, waren das etwa zehn Leute, und so viele blieben es in wechselnder Besetzung. Ab September wurden es dann weniger, weil sie dem Projekt keine Chance mehr gaben.

Was für Inhalte hat das Wochenblatt gebracht, die in den örtlichen Zeitungen fehlten?

Wir wollten dem, was in der Stadt an sozialen, kulturellen und politischen Initiativen passiert, mehr Raum geben als es zum Beispiel im Göttinger Tageblatt passiert. Und es waren intensiver recherchierte und kritischere Geschichten.

Wie war denn die Reaktion des Tageblatts auf die Göttinger Wochenzeitung ?

Offiziell gab es gar keine. Wir haben die Zeitung mit einer Anzeige im Göttinger Tageblatt angekündigt, aber sie haben nicht weiter über uns berichtet. Nach einem halben Jahr haben einige gemunkelt, dass einige unserer Themen auch dort etwas prominenter aufgetaucht sind.

Ist das jetzige Aus, anders als das erste, endgültig?

Es wird innerhalb der nächsten Wochen eine Auswertung der letzten zwei Jahre geben, und da wird es vielleicht auch darum gehen, ob man sich etwas vorstellen kann, was daran anknüpft. Aber es gibt keine konkreten Pläne. INTERVIEW: FRIEDERIKE GRÄFF