Aus nach elf Monaten

Erst als Genossenschaft, dann mit Trägerverein: Die Göttinger Wochenzeitung wollte ihren LeserInnen eine Alternative bieten. Doch nach der Insolvenz im Juni letzten Jahres ist nun auch der zweite Anlauf gescheitert

von REIMAR PAUL

Der Traum von einer neuen Zeitung dauerte nicht mal ein Jahr. Elf Monate nach Erscheinen der ersten Ausgabe ist die Göttinger Wochenzeitung nun endgültig eingestellt worden. Die Nachfrage habe zuletzt in keinem Verhältnis zu dem ehrenamtlichen Engagement von immer weniger Personen gestanden, erklärte knapp und bündig der „Verein für Umweltbewusstsein und soziale Kommunikation“ als Herausgeber des Blattes. Vereinsvorstand und Redaktion bedauerten den Schritt, hieß es. Sie hätten aber keine andere Möglichkeit mehr gesehen.

Die Göttinger Wochenzeitung war von Februar bis Juni zunächst von einer Genossenschaft herausgegeben worden. Als Vorbild dienten ausdrücklich die genossenschaftlichen Strukturen der taz und der Jungen Welt. Jede Person, die einen Anteil im Wert von mindestens 100 Euro zeichnete, erwarb mit ihrer Unterschrift das Stimmrecht in der Genossenschaftsversammlung und wurde auf diese Weise Mitherausgeber. Beim Start des Projekts waren immerhin knapp 500 Anteile gezeichnet, zudem stand Kapital aus Krediten und Fördermitteln zur Verfügung.

Doch das war zu wenig, wie sich zeigte. Bereits Ende Juni musste die Genossenschaft Insolvenz anmelden. Als wesentlichen Grund nannte Geschäftsführer Jens Wortmann damals zu geringe Einnahmen aus dem Zeitungs- und vor allem aus dem Anzeigenverkauf. Zu wenige Firmen und Geschäfte seien bereit gewesen, die Zeitung durch Inserate zu unterstützen. Die verkaufte Auflage lag zuletzt bei lediglich 1.000 Exemplaren. Dazu kamen Probleme beim Vertrieb. Auch die Versuche von Redaktion und Genossenschaft, Gelder durch so genannte Buchstabenpatenschaften einzuwerben, blieben erfolglos.

Doch viele Leser und Förderer wollten sich mit dem Ende des neuen Zeitungsprojektes nicht abfinden. Mit geringerem Umfang – 16 statt 32 Seiten –, unter dem erweiterten Namen Neue Göttinger Wochenzeitung und mit neuem Herausgeber erschien das Blatt von September an wieder regelmäßig. Vertrieben wurde es allerdings nur über Handverkauf und Ladentheken. Auf die Abonnentenkartei als Teil der Konkursmasse hatte der „Verein für Umweltbewusstsein und soziale Kommunikation“ keinen Zugriff. Auch erhielten die verbliebenen Redakteure kein Gehalt mehr.

Die Erlöse aus dem sich nur schleppend entwickelnden Anzeigengeschäft und dem Verkauf reichten zunächst immerhin aus, Miete, Bürokosten und geringe Honorare für freie Mitarbeiter zu zahlen. Den Todesstoß versetzte dem Blatt schließlich die weiter laufende Liquidierung der Genossenschaft. Computer, Mobiliar und anderes Gerät aus der Insolvenzmasse standen zum Verkauf an, die Zeitung sah sich aber mangels Liquidität zum Kauf nicht in der Lage – die ohnehin personell ausgedünnte Redaktion hätte also ohne Produktionsmittel dagestanden.

„Wir wollen eine große Lücke in der örtlichen Medienlandschaft schließen“, beschrieb der an dem Zeitungsprojekt beteiligte Journalist Jürgen Bartz beim Start das Vorhaben. Diese große Lücke gibt es in Göttingen in der Tat. Der Zeitungsmarkt in Südniedersachsen wird seit Jahrzehnten maßgeblich von einer einzigen Zeitung bestimmt. Das Göttinger Tageblatt und seine Regionalausgabe Eichsfelder Tageblatt gehören zur Madsack-Verlagsgesellschaft in Hannover, ebenso die Einbecker Morgenpost und das Gandersheimer Kreisblatt. Regionalausgaben der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen erscheinen zwar mit einer Göttingen-Seite, die Zeitung ist in der Stadt jedoch nur wenig verbreitet. Ansonsten bleiben den Göttingern nur zwei Anzeigenblätter und mehrere Zeitgeistmagazine.