die taz vor zehn jahren über den palästinensischen wahlkampf: wie arafat seine herrschaft zementierte
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Den Beobachtern des palästinensischen Wahlkampfes müssen die Haare zu Berge stehen. Kandidaten, die Arafat kritisch sehen, werden eingeschüchtert, Journalisten, die ihn nicht mit Lob überschütten wollen, verschleppt, selbst ein Wahlbeobachter wurde verhaftet.

Ohnehin hat sich der ehemalige Befreiungskämpfer für den Urnengang am 20. Januar ein Wahlrecht zurechtgezimmert, das seinen Kritikern kaum Zugang zum palästinensischen Parlament gewährt. Um seinen unangefochtenen Sieg durchzusetzen, reaktiviert Arafat sogar alte Feudalstrukturen, die teilweise schon abgeschafft waren: Clans und Großfamilien werden durch Privilegien und großzügige Geschenke auf den „Ra’is“ eingeschworen. Den Palästinensern, die einst verdächtigt wurden, einmal die erste arabische Demokratie zu errichten, wird so eine Regentschaft verordnet, die sich bruchlos den nahöstlichen Herrscherhäusern anpaßt.

Es besteht jedoch kein Zweifel daran, daß Arafats Kalkül aufgehen wird. Israel, die PLO und weite Teile der internationalen Gemeinschaft sind eingeschworen auf den Oberpalästinenser Arafat. Sie eint die Furcht vor einem (unwahrscheinlichen) Sieg der Islamisten von Hamas oder einer starken Präsenz der linken PLO-Fraktionen DFLP und PFLP im palästinensischen Parlament. Um dieses Schreckgespenst zu vermeiden, wird die eine oder andere „Unregelmäßigkeit“ in Kauf genommen.

Dabei stünden die Chancen gar nicht so schlecht, in Palästina ein demokratisches Musterland zu errichten. Es wäre ein leichtes für ausländische Investoren, ihre Gaben mit Forderungen nach Demokratisierung zu verknüpfen – wäre da nicht die Sorge, die „Falschen“ könnten davon profitieren. Aber war nicht auch Jassir Arafat auf der Bühne der internationalen Politik einst eine Persona non grata, und galten seine politischen Positionen nicht als undiskutabel?

Thomas Dreger in der taz vom 5. 1. 1996