Ein Star, der nur dem Team hilft

KOLUMBIEN James Rodríguez spielt das Turnier seines Lebens. Trotz seiner zwei Treffer gegen Uruguay bleibt er gelassen

AUS RIO DE JANEIRO JOHANNES KOPP

Es war sein vierter Auftritt bei dieser WM. Und zum dritten Mal schon wurde ihm diese monströs große Trophäe überreicht. Wieder einmal wurde er als „Man of the Match“ ausgezeichnet. Das Rampenlicht ist James Rodríguez also mittlerweile reichlich vertraut. Aber auch wenn der junge Mann mit dem fast noch knabenhaften Gesicht sich selbst weiterhin arglos gibt („Ich will nur meinem Team helfen, zu gewinnen“), wird er von den großen Kennern des Fußballs mittlerweile einem ganz exklusiven Kreis zugerechnet.

Mit seinen beiden Toren zum 2:0 über Uruguay hatte Rodríguez Kolumbien erstmals in seiner Geschichte den Einzug ins WM-Viertelfinale beschert. Und der gegnerische Trainer Oscar Tabárez, der sich auch an diesem Abend immer wieder mit „Maestro“ angesprochen ließ, wurde natürlich auch zum Mann des Abends befragt. „Messi, Maradona, Neymar und James Rodríguez“, sagte er, „machen aufgrund ihrer Begabung Dinge, die sie so speziell machen.“

Die Worte des 67-jährigen Maestro haben ihr Gewicht. Und in diesem Moment hatte man das Gefühl, als sei der 22-Jährige soeben endgültig in den Fußball-Olymp aufgenommen worden. Tabárez erklärte, für ihn sei Rodriguez bislang der beste Spieler dieser WM.

José Pekerman, der Trainer der Kolumbianer, gehört ebenfalls zu den ganz Großen seiner Zunft. Und auch er hat mit seinen 64 Jahren viel erlebt, wie er gern betont. „Ich habe sehr viel Erfahrung im Fußball und habe viele außergewöhnliche Fußballer gesehen. Bei Rodríguez finde ich am erstaunlichsten, dass er in seinem Alter überhaupt keine Probleme hat, die Last der Verantwortung zu tragen. Andere Spieler brauchen dafür viele Jahre.“ Und er fügte hinzu: „Er bringt alles mit für einen Weltklassespieler. Und ich habe nie daran gezweifelt, dass das seine WM werden wird.“

Das kann man durchaus schon einmal so festhalten, wenngleich in Brasilien noch ein wenig gespielt wird. Mit fünf Treffern ist James Rodríguez derzeit der erfolgreichste Torschütze des Turniers. Dies ist ein Ausweis an Effizienz. Obendrein ist er aber mit seiner Dynamik und technischen Begabung auch einer fürs Spektakuläre. Sein Solo gegen Japan, wo er im letzten Moment den Ball noch elegant über den herausstürmenden Torhüter lupfte, wird ebenso in alle Zusammenfassungen der schönsten WM-Tore aufgenommen werden wie sein erster Treffer gestern gegen Uruguay. Ein grandioser Volleyschuss aus 20 Meter Entfernung. „Eines der schönsten Tore dieser Weltmeisterschaft. Und der Torschütze trägt 100 Prozent Verantwortung dafür“, sagte Tabárez, der damit demonstrativ seine Abwehr, die den Kolumbianer am Abschluss nicht hindern konnten, von jeglicher Schuld freisprach.

Vor der WM stand noch Radamel Falcao als der Ausnahmespieler seines Teams im Rampenlicht. Seine verletzungsbedingter Ausfall galt als irreparabel. Nun ist es nicht so, dass Rodríguez aus dem Nichts aufgetaucht wäre. Für den Mittelfeldspieler musste der AS Monaco, bei dem übrigens auch Falcao spielt, schon im vergangenen Sommer einen stolzen Preis zahlen. Gut 45 Millionen Euro überwies man damals an den FC Porto, wo er erstmals in Europa Station machte. Und Rodríguez hielt wie stets den hohen Erwartungen stand. Mit neun Toren und zwölf Vorlagen zählte der Mittelfeldspieler in der französischen Liga sogleich wieder zu den Allergrößten. Pekerman stellte sein Vertrauen in Rodríguez schon vor zwei Jahren unter Beweis. Er gab ihm das Trikot mit der Nummer 10. Ein symbolträchtiger Akt in Kolumbien. Denn einst trug dies der Volksheld Carlos Valderrama.

Die Fähigkeit von James Rodríguez, mit jeglichen Drucksituationen zurechtzukommen, ist bemerkenswert. Im Alter von 17 Jahren glänzte er bereits als jüngster Ausländer in der ersten argentinischen Liga. Und von seiner Zielstrebigkeit zeugen erstaunliche Geschichten. Nachdem er als 12-Jähriger bei einem Jugendturnier in Kolumbien entdeckt wurde und getrennt von seiner Familie, die nahe der venezolanischen Grenze lebt, in der Nähe von Medellín seine fußballerische Ausbildung erhielt, nahm er sich zudem noch Extrastunden beim im Lande angesehenen Trainer Omar Suárez. Der erklärte gegenüber dem Guardian: „Das sagt alles über ihn. Welches andere Kind würde in diesem Alter für zusätzliche Trainingseinheiten Geld zahlen, um der Beste zu werden?“

Nun muss sich Kolumbien mit dem großen Favoriten Brasilien im Viertelfinale messen. Und Rodríguez, wen wundert es jetzt noch, beteuerte am Samstagabend, er spüre keinerlei Druck: „Sie haben sehr gute Spieler, wir haben sehr gute Spieler. Sie müssen auch auf uns aufpassen. Das wird eine wunderbare Partie.“