Tränengas ruiniert die Haut

über Plünderer

NORA MBAGATHI

Unsere aus Berlin stammende Autorin, 23, studiert seit drei Jahren in Kairo. Sie berichtet vom Alltag im Chaos.

Selbst die ausdauerndsten Demonstranten müssen mal essen und aufs Klo. Unser Haus, ein ehemaliges Hotel mit vielen Wohnungen, ist deshalb eine Art Zufluchtsort, denn es liegt nur wenige Gehminuten vom Tahrir-Platz entfernt, dem Zentrum des Geschehens. Meine Nachbarin Lamma hat mich zum Frühstück eingeladen. Ihre Wohnung ist voll von Leuten, die gerade vom Protest kommen oder bald wieder hingehen. Unter ihnen sind Journalisten, Schauspieler, Büroangestellte und Studenten, und sie alle haben ein Ziel: Mubarak muss gehen.

„Guck in den Kühlschrank und mach dir Frühstück“, ruft Lamma mir zu, während sie im Bad verschwindet. Gestern war dieser Kühlschrank noch leer, doch heute Morgen hat sich die Familie vom Supermarkt Lebensmittel liefern lassen. Erstaunlich, was in einem Billiglohnland selbst in Zeiten des Aufruhrs noch funktioniert.

Ich mache mir ein Käsesandwich und setze mich neben Lammas Freund Ali. „Ich wette, du bist jetzt froh, dass du nach Downtown gezogen bist“, grinst er. Bin ich. Nicht nur deshalb, weil man in diesen Tagen nicht in allen Vierteln so leichten Zugang zu Grundnahrungsmitteln hat wie hier. Bis vor wenigen Monaten lebte ich im ruhigen, bürgerlichen Mohandessin. Mein früheres Haus muss inzwischen von Zivilisten geschützt werden.

Eine ehemalige Nachbarin erzählt, dass dort Leute, als Polizisten verkleidet, aus gestohlenen Krankenwagen gesprungen sind und angefangen haben zu schießen und zu plündern. Ja, ich bin froh, dass ich nach Downtown gezogen bin. Dank der Proteste und der Militärpräsenz gibt es wohl derzeit keinen sichereren Ort in Kairo.

Lamma kommt wieder aus dem Bad und stellt sich vor den Spiegel. „Ich habe gestern eine Gesichtsmaske aufgelegt, dieses Tränengas ruiniert meine Haut.“ Ali fängt an zu lachen, doch Lamma bleibt keine Zeit, die Ironie ihrer Äußerung zu erkennen. Sie will zum Tahrir. Stunden später fangen Hubschrauber und Militärflugzeuge an, tief über dem Platz zu kreisen. Lamma kommt zu mir in die Wohnung. „Die hören sich gruselig an.“ Wir reden und witzeln, doch wir entspannen uns erst, als der Lärm endet und die Flugzeuge weg sind.

Was sie zu bedeuten hatten, bleibt uns unklar. Lamma geht wieder nach unten, und ich suche schon mal Pullover raus für die Freunde, die auf dem Platz übernachten wollen.

Es ist Sonntagabend, und ich koche Abendessen. In der Ferne höre ich wieder Lärm von Militärhubschraubern. Ich beschließe, ein paar Portionen mehr zu machen.