Der Streit läuft wie geschmiert

Der Zank zwischen Russland und Weißrussland geht weiter: Gestern wurde die russische Öllieferung nach Deutschland und Polen unterbrochen

VON TARIK AHMIA

Deutschlands Versorgung mit russischem Öl ist seit gestern unterbrochen. Als Folge des Energiestreits zwischen Russland und Weißrussland ist die einzige direkte russische Ölpipeline nach Deutschland versiegt. „Wir haben null Lieferung“, sagte der Sprecher der Mineralölverbundleitung GmbH (MVL), Klaus Peter. Sein Unternehmen betreibt in der deutsch-polnischen Grenzstadt Schwedt das deutsche Eingangstanklager für das Öl aus der Pipeline „Druschba“. Aus der Pipeline stammen 20 Prozent der Erdöllieferungen nach Deutschland. Regierungsvertreter in Deutschland und Polen bestätigten den Lieferstopp.

Die Schuld an der Blockade weisen sich die russische und weißrussische Seite gegenseitig zu. Nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Interfax hat die Minsker Behörde für den Energietransit die Sperrung der Pipeline angeordnet.

Das weißrussische Außenministerium dementierte dies. Der Ministeriumssprecher Andrei Popow deutete aber an, die Regierung habe Maßnahmen ergriffen, um wirtschaftlichen Schaden infolge verknappter Energieressourcen abzuwenden. Am späten Nachmittag signalisierte seine Behörde Kompromissbereitschaft: Die Lieferungen könnten noch am Abend wieder aufgenommen werden, zitierte Interfax die weißrussische Energiebehörde.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos zeigte sich besorgt. Für Deutschland sei die Situation jedoch nicht dramatisch. „In den Raffinerien lagert ausreichend Rohöl, so dass unsere Versorgung auch bei längeren Lieferausfällen sichergestellt ist.“ Ein Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes bestätigte gestern, von der Schließung gehe keine Gefahr für die Versorgung mit Rohöl in Deutschland aus. „In der der Bundesrepublik werden Erdölreserven vorgehalten, die 90 Tage des Bedarfs decken“, sagte Verbandssprecher Rainer Wieg.

Auch die Rohstoffanalystin Dora Borbély von der Deka-Bank sieht in dem momentanen Lieferstopp keine Gefährdung der Ölversorgung. „Der Situation in Weißrussland wird den Erdölmarkt nicht bewegen“, sagte Borbély der taz. Insgesamt sei die Lage auf dem Erdölmarkt zwar sehr eng: „Solche Ausfälle lassen sich aber noch kompensieren.“ Ölhändler Otto Wiesmann von der Index-Handelsgesellschaft in Neu-Isenburg sagte gestern der taz, derzeit würden täglich 1,5 Millionen Tonnen mehr Erdöl gefördert, als nachgefragt werden. Der globale tägliche Bedarf beträgt rund 85 Millionen Tonnen Erdöl. Nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbandes ist Russland ist für Deutschland der wichtigste Rohöllieferant. Im vergangenen Jahr stammten 38 der insgesamt 112 Millionen Tonnen des nach Deutschland importierten Rohöls aus Russland.

Die „Druschba“-Pipeline ist eine der längsten der Welt, die in zwei Strängen verläuft. Einer davon versorgt Deutschland und Polen. Das „Druschba“-Rohöl wird vor allem in zwei Raffinerien in Schwedt und Leuna verarbeitet. Die Pipeline ist die einzige direkte Leitung für russisches Rohöl nach Deutschland. Alternativ könnte russisches Rohöl jedoch über Tanker oder den Umweg über andere Leitungen nach Deutschland transportiert werden. Die durch Polen verlaufende Pipeline ist für Polen sehr wichtig. Über 96 Prozent der polnischen Erdölimporte stammen aus der „Druschba“-Leitung.

Mit der Blockade hat sich der Energiestreit zwischen Weißrussland und Russland dramatisch zugespitzt. Zu Jahresbeginn hatte sich der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko zähneknirschend dem russischen Druck nach einer drastischen Erhöhung des Gaspreises gebeugt. Seitdem muss Weißrussland mit 100 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter mehr als doppelt so viel an Russland bezahlen wie noch im Vorjahr. Im Gegenzug fordert Minsk eine Transitgebühr für russisches Erdöl von seinem Nachbarn. Pro Tonne russischen Rohöls fordert die Regierung in Minsk 45 US-Dollar. Russland protestierte und weigerte sich die Gebühr zu zahlen.

Seit dem Juli 2006 ist der Ölpreis kontinuierlich gesunken. Ein Barrel Rohöl (159 Liter), das damals noch etwa 78 US-Dollar kostete, war gestern für knapp 57 Dollar zu bekommen. „Der günstige Ölpreis ist vor allem dem milden Winter zu verdanken“, sagt die Rohstoffanalystin Borbély. Sie wertet den Preisverfall jedoch als Überreaktion des Marktes.