Stadtrat mit dem Mut der Verzweiflung

RÄUMUNG Panhoff nimmt die alleinige Verantwortung auf sich

„Wir strecken die Hand weiter aus“

GRÜNEN-BEZIRKSSTADTRAT PANHOFF

Die Worte kamen Hans Panhoff nicht leicht über die Lippen. „Ja, ich habe heute Mittag ein Amtshilfeersuchen an die Polizei gestellt. Dies war mein alleiniger Entschluss als Verantwortlicher für die Immobilie in der Ohlauer Straße, für den ich volle Verantwortung übernehme.“ Falls eine friedliche Einigung scheitere oder bei der Räumung Personen zu Schaden kämen, werde er zurücktreten.

Sichtlich angespannt legte der grüne Kreuzberger Stadtrat am Dienstagnachmittag vor Pressevertretern dar, warum er die Polizei um Räumung der von Flüchtlingen besetzten Schule ersucht hatte. Und das, obwohl die Grünen eine Räumung bis zuletzt ausgeschlossen hatten. Die Situation im Haus, so Panhoff, gleiche einem gordischen Knoten. Es sei der „Mut der Verzweiflung“ gewesen, der ihn veranlasst habe, die Situation auf eine Weise zu lösen, die für einen Grünen und ehemaligen Hausbesetzer alles andere als selbstverständlich sei.

Draußen riegelten zahlreiche Polizisten den Zugang zum Büro der Bezirksverwaltung ab. Drinnen bemühte sich Panhoff, der Presse zu erklären, warum er trotz allem weiterhin an einer friedlichen Lösung mit den Flüchtlingen glaube, die sich auf dem Dach der besetzten Schule verschanzen. „Wir strecken die Hand weiter aus“, betonte er. Man wolle die Flüchtlinge dazu bewegen, sich auf einen räumlich begrenzten Teil des Schulgebäudes zurückzuziehen. Eine Einung müsse aber rasch her, denn die Kreuzberger Anwohner, die Polizei und auch er selbst seien mit der Geduld am Ende. „Noch ist eine Räumung abwendbar. Aber wenn bis morgen Abend keine Bewegung erkennbar ist, sehe ich schwarz“, sagte Panhoff.

Schuld an der unversöhnlichen Haltung der etwa 40 Personen, die das Angebot auf Umsiedlung nicht angenommen hätten, sei auch Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD). Sie habe bei den Verhandlungen um den Oranienplatz auch den Schulbesetzern Unterstützung zugesagt, dieses Angebot aber nicht eingehalten.

Nachdem trotz intensiver Vermittlungsbemühung von Politikern wie Canan Bayram (Grüne) und Hans-Christian Ströbele bis zuletzt alle Gesprächsversuche an den Maximalforderung der Leute auf dem Dach gescheitert seien, habe man sich Sonntagnacht im Kreis der Grünen „heftigst beraten“. Nachdem sich alle einig gewesen seien, dass nicht geräumt werden dürfe, habe er am Montag einen Alleingang gemacht. „Mir ist klar, dass mein Schritt von meiner Partei nicht goutiert wird“, sagte Panhoff. Er habe Bürgermeisterin Monika Herrmann im Vorfeld von seiner Entscheidung unterrichtet. Vermutungen, dass Herrmann ihn als Bauernopfer vorgeschickt habe, wies der Stadtrat zurück. Hermann sei nicht seine Vorgesetzte.

Nach Panhoffs Schilderungen wollen die Grünen weiterhin an dem Plan festhalten, die Schule zu einem internationalen Flüchtlingszentrum umzubauen. Eine Clearingstelle mit Schlafplätzen für bis zu 70 Personen auch mit ungesichertem Aufenthaltsstatus solle es bald geben. Zuvor aber müssten sich die verbleibenden Bewohner auf einen kleinen Bereich des Gebäudes zurückziehen.

Mit „baulichen Maßnahmen“ werde man umgehend dafür sorgen, dass Außenstehende keinen Zutritt zur Schule bekämen. Damit solle verhindert werden, dass die Schule wieder mit neuen Bewohnern „volllaufe“, zum Beispiel mit Menschen aus der Cuvrybrache am Schlesischen Tor.

NINA APIN