OFF-KINO: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Einen Einstieg in die faszinierende Welt japanischer Animes kann man zurzeit im Künstlerhaus Bethanien an der Kottbusser Straße 10 wagen, wo noch bis zum 6. März in der Ausstellung „Proto Anime Cut – Räume und Visionen im japanischen Animationsfilm“ originale Hintergrundmalereien, Storyboards und Skizzen bedeutender Regisseure und Illustratoren des anspruchsvollen Animes ausgestellt werden. Das fsk-Kino präsentiert dazu eine begleitende Filmreihe, die sich unter anderem den Werken des im letzten Jahr leider an einer Krebserkrankung verstorbenen Regisseurs Satoshi Kon widmet. Bekannt wurde er hier gleich mit seinem seinerzeit auf der Berlinale im Forum gezeigten ersten Kinofilm „Perfect Blue“ (1998), einer psychologischen Horror- und Krimigeschichte, in der eine Ex-Popsängerin anscheinend schizophrene Wahnzustände entwickelt, als sie entdeckt, dass jemand ihre Privatsphäre auf bedrohliche Weise ausspioniert und ihr Leben manipuliert. Das Spiel mit verschiedenen Wahrnehmungsebenen wurde zum Markenzeichen von Satoshi Kon, Gegenwart und Vergangenheit, Wahn und Wirklichkeit wirbeln etwa auch in „Millennium Actress“ (2001) in einem knallbunten Strudel am Zuschauer vorbei. Auf die Spitze trieb er dies in „Paprika“ (2006): In der Thrillerhandlung um die Suche nach einem entwendeten Gerät, das Träume nicht nur sichtbar machen, sondern auch manipulieren kann, wissen schon bald weder die Wissenschaftler eines psychiatrischen Forschungsinstituts noch ein in den Fall verwickelter Polizist, wer hier was träumt und in wessen Traum man sich gerade befindet. Kindheitserinnerungen vermengen sich mit ins Albtraumhafte verzerrten Szenen klassischer Hollywoodfilme, und das verdrängte Unterbewusste der Protagonisten bricht sich in Liebes-, Eifersuchts-, Allmachts- und Schuldfantasien seine Bahn. „Träume kennen keine Grenzen“, sagt einmal einer der Forscher. Filme zum Glück auch nicht.
Ebenfalls im Programm hat das fsk-Kino „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ von Mamoru Hosoda, eine hübsche Neuverfilmung der Mitte der 1960er Jahre veröffentlichten Kurzgeschichte von Yasutaka Tsutsui (der auch die Vorlage zu „Paprika“ verfasste), die in Japan zu den Klassikern der Jugendliteratur gehört. Von Tsutsui ursprünglich eher als Science-Fiction-Liebesgeschichte gedacht, dient der Plot um eine 17-jährige Schülerin, die plötzlich durch die Zeit reisen kann, bei Hosoda einem etwas didaktischeren Ziel. Denn Makoto, ein eher unschlüssiges und ungeschicktes Mädchen, verwendet ihre zufällig erworbene Gabe zunächst in einer sehr egozentrischen Weise: Sie versucht, mit kleinen Zeitsprüngen ihre Peinlichkeiten und Unfälle ungeschehen zu machen. Erst spät bemerkt sie, dass ihr Eingreifen in den Zeitablauf für Freunde und Mitschüler böse Folgen haben kann. In den japanischen Kinos war die heiter-melancholische Coming-of-Age-Story ein großer Erfolg. (Paprika, 4. 2., Perfect Blue, 6. 2., Millennium Actress, 7. 2., Das Mädchen, das durch die Zeit sprang, 5. 2., alle OmU, fsk) LARS PENNING
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