Ein Mann auf großem Fuß

Wie kommt man an Bremens bestbezahlte Jobs? Das weiß am besten Wolfgang Tissen. Nur: Seine Angaben vor dem Klinik-Untersuchungsauschuss widersprechen anderen Aussagen

von Armin Simon

Die Entscheidung für Wolfgang Tissen fiel binnen Minuten. Ein Vorstellungsgespräch Ende Oktober 2003, kurzfristig anberaumt, dann 20 Minuten Besprechung. „Dynamik“ und „Durchsetzungsstärke“ attestierten sie ihm, und das war genau das, was sie wollten: Einen, der die biederen Verwaltungsdirektoren der Bremer Kliniken auf Trab brachte, der aus Konkurrenten einen schlagkräftigen Verbund formen sollte, gerne auch über Bremer Landesgrenzen hinaus. „Bremen geht in die Zukunft“, bedeutete Finanzsenator Ulrich Nußbaum, und Personalberater Wilfried Kappes, der für eine fünfstellige Summe aus über 30 Bewerbungen drei „Strategen“ präsentiert hatte, verstand, „dass es auf Tissen hinausläuft“.

So jedenfalls berichtete der Headhunter gestern vor dem Bremer Klinikuntersuchungsausschuss. Dass ihn Tissen selbst Mitte Oktober angerufen und sich nach dem Stand des Bewerbungsverfahrens erkundigt habe. Dass ihn dann, zwei Tage vor der Endrunde der drei vorausgewählten Bewerber, ein Anruf aus Bremen erreichte, von Matthias Gruhl, seines Zeichens Abteilungsleiter Gesundheit im Sozialressort. Der ihm vom Interesse Tissens berichtete und von einem, der ihm den gelernten Krankenpfleger für den wohl bestbezahlten öffentlichen Job Bremens „empfohlen“ habe. Dass er, Kappes, daraufhin einen fünf Monate alten Bericht über den Quereinflieger nach Bremen gefaxt habe. „Mittelgroß gewachsen und normal schlank“ sei der, steht darin, über Schulabschluss und Ausbildung verrät er nichts. Und dass er, Kappes, diesen Bericht dann, nach einem beeindruckenden Vortrag Tissens über die mögliche Entwicklung der kommunalen Kliniken Bremens drei Wochen später, „aktualisiert“ habe. Tissen sei, so war nun zu lesen, „überdurchschnittlich groß und kräftig gebaut“.

Das stimmt. Tissen redet schnell, laut, pausenlos, die Arme auf den Zeugentisch gestützt, den Oberkörper unablässig nach vorne gebeugt. Das Mikrofon knarzt, so dicht ist er davor. Was ihn vom äußerst gut bezahlten Posten bei der Wittgensteiner Kliniken AG (WKA) nach Bremen trieb, in den Vorstand einer Holding, wo er ohne Zustimmung von drei der vier Klinik-Direktoren nichts machen konnte, will Ausschuss-Vorsitzende Karoline Linnert (Grüne) wissen. Tissen erzählt vom „Reiz, den zweitgrößten kommunalen Klinikverbund zu leiten“. Und fügt, in Anspielung auf seinen Job bei WKA hinzu: „Ich kann es Ihnen nicht verübeln, dass Sie die Strukturen eines Weltkonzerns nicht kennen.“

Personalberater Kappes, betont Tissen, habe er im Übrigen in Zusammenhang mit seiner Spontan-Bewerbung in Bremen niemals zu Gesicht bekommen. Auch habe es „keinerlei Korrespondenz“ zwischen ihm und diesem gegeben. Ausschuss-Vize Wolfgang Grotheer (SPD) zitiert ein Fax von Kappes an Knigge. Tissen, so heißt es darin, werde sich bemühen, tags darauf zum Vorstellungsgespräch in Bremen zu erscheinen. Das spreche doch für einen Kontakt, hält er Tissen vor. Und erinnert ihn an seine Pflicht zu „wahrheitsgemäßen Angaben“. „Dann sage ich: ‚Daran kann ich mich jetzt nicht erinnern.‘“, erwidert Tissen.