Armee kontrolliert Bangladeschs Straßen

Wenige Tage vor den Wahlen werden bei tagelangen Protesten der Opposition hunderte Menschen verletzt

DELHI/DHAKA dpa/taz ■ Angesichts der jüngsten schweren Unruhen vor der Wahl in Bangladesch wurde gestern die Armee mit Sondervollmachten ausgestattet. Der Chef der Wahlkommission, Mahfuzur Rahman, sagte, die Soldaten könnten jeden festnehmen, der die Wahl durchkreuzen wolle. Zu den landesweiten Protesten hatte die oppositionelle BAL unter Führung von Ex-Regierungschefin Sheikh Hasina aufgerufen, die die für den 22. Januar geplante Wahl boykottieren will. In der Hauptstadt Dhaka lieferten sich Oppositionsanhänger und Polizisten am dritten Tag in Folge Straßenschlachten. Dabei wurden erneut mehr als 100 Menschen verletzt.

Bangladeschs politische Landschaft ist zwischen der BNP unter Führung der amtierenden Premierministerin Khaleda Zia und der BAL von Sheikh Hasina gespalten. Der Machtkampf der Parteien spiegelt die Rivalität ihrer Führerinnen. Khaleda Zia ist die Witwe des früheren Militärherrschers Ziaur Rahman, der nach der Ermordung von Staatsgründer Mujibur Rahman – dem Vater von Sheikh Hasina – an die Macht kam. BNP und BAL wechseln sich an der Macht ab. Zur politischen Kultur gehört der regelmäßige Parlamentsboykott durch die jeweilige Opposition. Bei den Protesten geht es vor allem um die Unabhängigkeit der Übergangsregierung, die für freie und faire Wahlen sorgen soll. Bangladesch hat sich unter internationalem Druck vor knapp zehn Jahren eine unabhängige Wahlkommission gegeben und beschlossen, dass im Wahlkampf eine Interimsregierung parteineutraler Experten unter Führung eines Exrichters amtiert. Der regierenden BNP ist es in den vergangenen fünf Jahren offenbar gelungen, Richterberufungen so zu lenken, dass eine ihr genehme Person Chef der Übergangsregierung wurde. Auch Wahlkommissäre wurden aufgrund ihrer Nähe zur BNP berufen. Auf den gegenwärtigen Wahllisten soll es über 10 Millionen fiktive oder doppelt geführte Namen geben – 13 % der 93 Millionen Wähler des Landes.

Die BAL erzwang mit der Androhung landesweiter Proteste zwar den Rücktritt des Chefs der Wahlkommission. Als Staatspräsident Iajuddin Ahmed daraufhin selbst das Amt übernahm, witterte die BAL ein weiteres Komplott. Die Proteste hielten an, und die BAL forderte die Ersetzung weiterer Kommissäre. Schon einmal hatte der Präsident Truppen auf die Straße beordert, diese jedoch in die Kasernen zurückgeschickt, nachdem Mitglieder der Übergangsregierung aus Protest zurücktraten.

Die erneuten Armeepatrouillen nähren Gerüchte, dass die Generäle das Machtvakuum ausnutzen könnten. Nach dem Rücktritt des letzten Militärherrschers General Ershad vor 16 Jahren hatte die Armee offenbar genug von Staatsgeschäften. Sie wurde zu einem der größten Lieferanten von Kontingenten für UN-Friedensmissionen – ein lukratives Geschäft für die Offiziere. Beobachter warnen, dass die Polarisierung der staatlichen Institutionen auch vor der Armee nicht Halt macht. Um einem Staatsstreich vorzubeugen, soll die UNO den Generälen signalisiert haben, dass ein Putsch das Ende bangalischer UNO-Kontingente bedeuten würde. BI, KEL