Eine Bank für die zweite Chance

Eine neue Sparkasse gibt auch denen ein Konto, die woanders keines mehr bekommen

WIEN taz ■ Friedensnobelpreisträger Mohammed Yunus weiß es schon lange: gerade arme Menschen dürfen nicht von den Banken verstoßen werden. Anders als in Bangladessh kann den Armen in Europa allerdings selten mit Mikrokrediten auf die Beine geholfen werden. Sie sind oft so verschuldet, dass ihnen normale Banken die Einrichtung eines Girokontos versagen. In Wien wurde vor einigen Wochen daher die „Zweite Sparkasse“ gegründet, ein Projekt der Kommerzbank „Erste Bank“, der Caritas und der Schuldnerberatung.

Wer kein Konto hat, lebt teuer: Bareinzahlungen kosten mehr als Kontoüberweisungen. Potenzielle Arbeitgeber runzeln die Stirn, wenn ein Jobsuchender keine Kontonummer angeben kann. Leicht wird zum gesellschaftlichen Außenseiter, wer auf den schwarzen Listen der Banken steht. In Wien sind das mehrere tausend Menschen.

Schon in den ersten Wochen nach der Eröffnung des Sozialprojekts Ende November 2006 konnten sich die Mitarbeiter der „Zweiten Sparkasse“ des Ansturms kaum erwehren. Sämtliche Beratungstermine für die kommenden Wochen sind bereits vergeben, obwohl die Serviceleistungen des Hauses nicht allen offen stehen. In ihren Genuss kommt nur, wer von der Schuldnerberatung oder der Caritas betreut wird.

Damit werde geprüft, wie integrationsfähig der Interessent ist und ob er woanders keine Chance auf ein Konto hat. Caritas-Generalsekretär Stefan Wallner betont, dass damit ein wesentlicher Schritt zur sozialen Integration von Menschen am Rand der Gesellschaft erfolge. Die Klienten könnten den Umgang mit Geld in einem „halb geschützten Rahmen“ wieder erlernen. Und Erste-Bank-Chef Andreas Treichl sieht nun eines der wesentlichen Gründungsziele seiner Bank verwirklicht, nämlich die Bevölkerung am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben zu lassen. Einen Überziehungsrahmen bietet das Konto nicht. Außerdem wird es nur befristet eingerichtet. Die Habenzinsen von 0,5 % liegen deutlich über dem üblichen Satz von 0,125 %. Das Basiskonto kann wie jedes normale Girokonto für Daueraufträge genützt werden. Auch die Bankomatkarte gehört dazu. Eine Kaution von 9 Euro pro Quartal wird rückvergütet, wenn sich der Kunde oder die Kundin an die Spielregeln hält. Wer den Einstieg in die geregelte Welt des Finanzverkehrs schafft, bekommt am Ende ein normales Konto.

Die Geschäftsführung und bisher einzige Filiale der Bank wurden in Wiens zweitem Bezirk eingerichtet, einem Wohngebiet mit hohem Migrantenanteil. Die Mitarbeiter sind allesamt ehrenamtlich beschäftigt. Bis April wird es die Zweite Sparkasse nur in Wien geben. Wenn es nach den Hilfswerken geht, wird das Projekt nach einer Evaluierung auf ganz Österreich ausgedehnt.

RALF LEONHARD