Parteien vereint gegen Abschiebung

Der Petitionsausschuss des Landtags setzt sich geschlossen dafür ein, dass eine abgeschobene Familie wieder nach NRW einreisen darf. Das Land fühlt sich nicht zuständig, der zuständige Hochsauerlandkreis will keine Stellung nehmen

MARSBERG/DÜSSELDORF taz ■ Eine aus dem sauerländischen Marsberg abgeschobene Familie wird womöglich nach Deutschland zurückgeholt. Dafür hat sich der Petitionsausschuss des Landtages in NRW einstimmig ausgesprochen – ein einmaliger Fall, der mit der Härte der Abschiebung zusammenhängt: Die Kinder der Familie waren von ihrem Vater jahrelang sexuell missbraucht worden. Dieser hatte überdies seine Gewalttaten auf Videofilmen und Fotos festgehalten. Nachdem die älteren Kinder ihn dafür angezeigt hatten, wurde er zu neun Jahren Haft verurteilt, die er zurzeit in einem NRW-Gefängnis absitzt.

Die Traumatisierung der geduldeten Familie durch das jahrelange Martyrium ließen die Mitarbeiter des Hochsauerlandkreises (HSK) kalt. Im vergangenen Mai holten sie um vier Uhr früh die Mutter und die fünf Kinder zwischen fünf und 17 Jahren aus dem Bett, brachten sie zum Flughafen Düsseldorf und schoben sie in den Kosovo ab. „Es ist bekannt, dass der HSK eiskalt abschiebt, so rigide wie kein anderer Kreise im Land“, sagt der Marsberger Pfarrer Alfred Hammer. Selbst der Marsberger Stadtrat habe sich einstimmig gegen die Abschiebung der Rustemis ausgesprochen.

Hammer gehört zu einem Unterstützungskreis, der den Kontakt zu der Familie aufrecht erhält und ihnen Geld schickt. „Die Rustemis werden im Kosovo weder medizinisch und psychisch versorgt“, weiß er, „obwohl ihnen das zugesichert wurde.“ Außerdem würde die abgeschobene Familie von den Angehörigen des Vaters, die im selben Dorf leben, bedroht. Das ist auch der Grund, warum der älteste Sohn, der den Vater angezeigt hatte, kurz vor der Abschiebung untergetaucht ist – aus Angst vor „Blutrache“.

Wegen der Härte des Falles, den auch das WDR-Fernsehen mehrmals dokumentierte, hatte Karsten Rudolph, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, bereits im Dezember eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Das Innenministerium antwortete ihm vor vier Tagen, dass das Handeln der Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises „nicht zu beanstanden“ sei. Und die Entscheidung sei auch nicht rückgängig zu machen: „Seitens des Innenministeriums werden keine Wiedereinreisemöglichkeiten für die Familie Rustemi gesehen“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. Für abgeschobene Asylbewerber bestehe eine Wiedereinreisesperre.

Diese Frist könne jedoch unter Umständen auch verkürzt werden, gibt Dagmar Pelzer, Sprecherin des Innenministeriums zu. „Das bleibt aber in der Verantwortung der zuständigen Ausländerbehörde.“ Der Hochsauerlandkreis will zur Empfehlung des Petitionsausschusses keine Stellung nehmen: „Solange wir den Beschluss nicht schriftlich haben, sagen wir nichts“, so Kreis-Sprecher Martin Reuther.

Dabei hat der Petitionsausschuss sogar eine Lösung gefunden, die den HSK von der finanziellen Unterstützung der Familie befreien würde: „Die Rustemis könnten über die Opferentschädigungsgesetz des Bundes ihren Lebensunterhalt bestreiten“, sagt Hubert Kleff, CDU-Ausschussmitglied und Wahlkreisabgeordneter des HSK. Außerdem habe der Marsberger Unterstützerkreis in Aussicht gestellt, der Familie eine Wohnung zur Verfügung zu stellen.

SPD-Innenexperte Karsten Rudolph sieht aber auch die Landesregierung in der Verantwortung: „Schwarz-Gelb muss eine einheitliche Regelung für Abschiebungen erlassen.“ Es könne nicht sein, dass die Praxis der Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen sich stark voneinander unterscheide.