ACHTELFINALE ARGENTINIEN – SCHWEIZ IN DER MALENA BAR IN NEUKÖLLN
: Warten auf Messie

von Jens Uthoff

Es ist eine gemischte kleine Runde, die sich da in der Malena Bar in Neukölln sammelt. Stimmungsmäßig fühlt es sich ein bisschen wie späte Siesta an: Rollladen runter, dunkler Raum, vereinzelt sitzen Gäste auf den Stühlen, die mehrheitlich das Team in Hellblau unterstützen, welches da auf der Leinwand gerade um den Viertelfinaleinzug kämpft. Ganze sechs Leute schauen hier das Spiel Argentinien gegen die Schweiz am Dienstagabend; die meisten warten darauf, dass Messi irgendwas Geiles macht. Sie sollen sehr lange darauf warten.

So wie die Gäste in ihren Stühlen hängen, könnte man denken, sie seien WM-verkatert. Aber das täuscht – Fußball gucken ist nur zur Routine geworden. Die Malena Bar in der Reuterstraße wird dabei zwar von einem Argentinier betrieben, es werden auch alle Spiele der WM gezeigt – ein argentinischer Fan-Treffpunkt ist die schlicht und gemütlich eingerichtete Kneipe (eine Mischung aus türkischer Teestube und Eckkneipe für jedermann) aber dennoch nicht.

Da sitzen ein Italiener und ein Spanier, die hier wohl fußballerisches Exil suchen und nun Argentinien die Daumen drücken. Da ist der desinteressierte argentinische Barmann, gut beleibt, der mit seinen langen Zotteln und dem Bart aussieht, als könnte er in einer Thrash-Metal-Band spielen.

Im hinteren Teil sitzt ein schmaler, älterer Herr aus Argentinien neben seiner deutschen Freundin – er ist der einzige, der leidenschaftlich mit Messi und dessen Adjutanten fiebert. Als der argentinische Torwart einmal den Ball aus den Händen gleiten lässt, faltet er die Hände und schaut nach oben, als ob dort Hilfe zu erwarten sei. „Wir haben Neuer!“, freut sich indes seine Freundin hämisch. Als der argentinische Spieler Angel Di Maria einen Trick zu viel versucht, muss ihr Freund wieder die Hände falten.

Der glatzköpfige, lederbejackte Italiener hingegen zieht ruhig am Joint und redet bei solchen Aktionen gegenüber seinem spanischen Kumpel von „idiotas del futbol“. Das Spiel will derweil nie so richtig Fahrt aufnehmen. Doch die ganze Kneipe leidet mit dem Argentinier der – während es auch in der Verlängerung noch Null zu Null steht – immer besorgter dreinschaut.

Die Erleichterung kommt für ihn erst gegen kurz vor halb neun: Messi macht endlich mal was wirklich Geiles und bereitet den Siegtreffer vor. Der Erleichterungsseufzer steht dem Mann ins Gesicht geschrieben. „Vamos, Vamos, Argentina“, ruft er. Auch der Rest ist erleichtert, dass der 120-Minüter, der erst ganz gegen Ende noch mal richtig dramatisch wird, vorbei ist. Ein nun hineinkommendes, retrieverartiges Wesen bellt freudig angesichts des Argentinien-Siegs.

Nach Abpfiff kann man sich dann noch die wirklich sehenswerte Fotoausstellung mit Fußballmotiven anschauen. Der argentinische Fotograf Martín Gruttadauria zeigt in der Malena Bar derzeit eine schicke Serie zum Bolzen auf dem Tempelhofer Feld. Im Nebel, im Wolkenbruch, bei strahlendem Sonnenschein – Gruttadauria rückt da die Ästhetik des Sports und des Felds ins Bild: Sehnsuchtsbilder. Bolzplatzjungenfantasien.

Der Argentinier ist derweil ins Sofa gesackt und knutscht mit seiner Freundin.

Heimmannschaft: Exilanten aller Art

Gästeblock: dito

Stadionimbiss: Flüssiges Brot – Neuköllner Rollberg Bier

Ersatzbank: Die Wettbüros in der Hermannstraße

Rote Karte: Diese Kneipe ist für jedermann/jedefrau

Malena Bar, Reuterstraße 85, Neukölln