Erntehelfer zu vermieten

Schleswig-Holstein will die unbeliebte Arbeit als Erntehelfer mit einem einmaligen Projekt attraktiver machen. 50 Langzeit-Arbeitslose sollen einen Vertrag mit einer Leiharbeitsfirma bekommen

VON ESTHER GEIßLINGER

In aller Frühe Spargel stechen, in der Mittagshitze Erdbeeren im Akkord pflücken, Kohl ernten mit krummen Rücken – nein, es sind keine tollen Jobs, die die Landwirtschaft an ungelernte Kräfte zu vergeben hat. Seit vielen Jahren buckeln darum ausländische ErntehelferInnen auf deutschen Feldern, angelockt durch einen verhältnismäßig hohen Lohn für die Schinderei. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit hat die Bundesregierung entschieden, dass mehr Deutsche auf die Felder müssen – zehn bis zwanzig Prozent aller SaisonarbeiterInnen sollen ersetzt werden.

Klappt aber nicht, stellt der Deutsche Bauernverband (DBV) fest: Langzeitarbeitslose, die als Ein-Euro-Jobber unter Zwang auf die Felder gingen, seien kein Ersatz für die „bewährten osteuropäischen Kräfte“. Nur 1.264 der von der Bundesagentur für Arbeit angebotenen 7.839 Helfer hätten ihren Arbeitsvertrag bis zum Ende erfüllt, teilte der DBV mit.

„Wir wollen weg von den gegenseitigen Vorurteilen – die Arbeitslosen seien faul, die Bauern weigerten sich, deutschen Kräften eine Chance zu geben“, erklärt der schleswig-holsteinische Arbeitsminister Uwe Döring. Der SPD-Politiker hat mit dem Präsidenten des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes, Otto-Dietrich Steensen, ein Modellprojekt entwickelt, das beide gestern vorstellten: Künftig sollen Arbeitslose von einer neu gegründeten Beschäftigungsgesellschaft angestellt werden – zu den Tarifen der Zeitarbeitsfirmen, also zu einem Stundenlohn von 7,50 Euro, mit Sozial- und Arbeitslosenversicherung. Die Gesellschaft, die vom Landesbauernverband getragen wird, verleiht die Kräfte an Landwirte. Die Beschäftigung geht über eine einzelne Ernte hinaus: Die Land-LeiharbeiterInnen könnten also im Mai Spargel stechen, im Juni Erdbeeren und im Herbst Äpfel pflücken. Leichter werden die Jobs dadurch nicht, aber sie sollen ein wenig versüßt werden.

Die Arbeitskräfte erhalten Einführungen in das Arbeiten auf dem Bauernhof: „Es gibt viele Tätigkeiten, und nicht alle sind schwer“, sagte Steensen. Die neuen LeiharbeiterInnen könnten die Höfe kennen lernen und sich an den Alltag gewöhnen. Denkbar seien auch Kurse an der Landwirtschaftsschule Deula.

Zunächst ist das Projekt beschränkt: Nur die Kreise Dithmarschen, Nordfriesland und Schleswig-Flensburg beteiligen sich, angestellt werden 50 Menschen – ein Bruchteil der rund 10.000 Arbeitskräfte, die im Schnitt im Land an der Ernte beteiligt sind. Auch Schleswig-Holstein hatte die gesetzliche Vorgabe, zehn Prozent der ausländischen Kräfte durch deutsche zu ersetzen, im vergangenen Jahr nicht geschafft. Die neue freiwillige Lösung halten sowohl Steensen als auch Döring für den richtigen Weg. Das Projekt wird durch die Bundesagentur für Arbeit und Mittel aus einem EU- Fonds unterstützt und ist zunächst auf ein Jahr beschränkt. Die Arbeitskräfte werden zum 1. April eingestellt, ihre Verträge laufen bis Jahresende – mit Chance auf Verlängerung. Denn die Verantwortlichen hoffen, dass die Beschäftigungsgesellschaft sich trägt: „Das ist das Ziel“, sagte Steensen.

Die Landwirte zahlen für die LeiharbeiterInnen ähnlich viel wie für ausländische HelferInnen, und die Beschäftigungsgesellschaft garantiert, dass Ersatzkräfte zur Verfügung stehen. Döring will das „bundesweit einmalige Modell“ gern exportieren und hat auch schon in Berlin dafür geworben: Bundesarbeitsminister Franz Müntefering sei „sehr interessiert“.