Morde führen zu Protesten in Jerusalem

ISRAEL Nach dem Tod der israelischen Teenager und eines jungen Palästinensers kommt es zu gewaltsamen Ausschreitungen

Die israelische Regierung diskutiert Strafmaßnahmen gegen die Hamas

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Einen Tag nach der Beerdigung der drei ermordeten Teenager ist Israels Polizei mit dem Problem rechter Extremisten konfrontiert, die das Recht in die eigene Hand nehmen. Der 16-jährige Palästinenser Mohammed Abu Chedair, dessen Leiche Polizisten am Mittwoch früh in einem Wald bei Jerusalem fanden, ist möglicherweise Opfer eines Racheakts geworden.

Nach der Nachricht von seinem Tod kam es bereits am Morgen in dem Ostjerusalemer Viertel Schuafat zu schweren Ausschreitungen mit israelischen Sicherheitskräften, die Tränengas und Gummigeschosse gegen protestierende Palästinenser einsetzten. Auch in dem benachbarten Viertel Beit Hanina, wo die Polizei in der Nacht die Nachricht einer Entführung erreichte, kam es zu stundenlangen Unruhen. Vor dem Elternhaus des ermordeten Teenagers soll eine Rohrbombe explodiert sein. Ein Sonderaufgebot an Sicherheitskräften sperrte die Zufahrtsstraßen und stoppte die Straßenbahn in Richtung Beit Hanina.

Die polizeilichen Untersuchungen finden unter strenger Zensur statt. Noch bleibt unklar, wer hinter der Entführung in Schuafat steckt, und wer für den Tod des Jungen verantwortlich ist. Seine Leiche wurde offenbar mit starken Verbrennungswunden in der Nähe von Givat Schaul, am anderen Ende von Jerusalem, gefunden. Die Eltern des Kindes stritten anfängliche Gerüchte ab, ihr Sohn sei das Opfer einer Familienfede.

Das knapp drei Wochen währende Entführungsdrama und die breitangelegte Suche nach den vermissten israelischen Teenagern, die am Montag nördlich von Hebron tot aufgefunden wurden, lässt die Emotionen auf beiden Seiten hochkochen. Im Anschluss an die Beerdigung des 19-jährigen Eyal Ifrach und der beiden 16-jährigen Talmudschüler Naftali Frenkel und Gilad Schaer zogen zumeist nationalreligiöse Israelis durch die Straßen von Jerusalem und griffen wahllos palästinensische Passanten an. Dutzende Menschen wurden festgenommen. Auch in Tel Aviv pilgerten hunderte Israelis vor das Verteidigungsministerium in Tel Aviv, wo das Kabinett über weitere Schritte beriet. Mit „Tod-den-Arabern“-Rufen heizten sie die ohnehin angespannte Stimmung an.

Unmittelbar nach dem Fund der Leichen der Teenager hatte Regierungschef Benjamin Netanjahu angekündigt, die islamistische Hamas, die er für den dreifachen Mord verantwortlich hält, „einen Preis“ für den Gewaltakt zahlen zu lassen. Noch scheinen die Minister unschlüssig über weitere Maßnahmen. Der Bau neuer Siedlungen steht zur Debatte, gezielte Angriffe auf Hamas-Funktionäre und sogar ein erneuter Einmarsch in den Gazastreifen.

Nach dem Mord an dem palästinensischen Jungen rief Netanjahu indes zur Zurückhaltung auf. „Israel ist ein Rechtsstaat“, kommentierte er. „Jeder ist dazu verpflichtet, sich an die Gesetze zu halten.“ Noch am Morgen hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas Israel für den Gewaltakt verantwortlich gemacht und gefordert, die Schuldigen ihrer „gerechten“ Strafe zuzuführen. Netanjahu ließ eine Untersuchung einleiten.

Gleichzeitig geht die Suche nach den Mördern der israelischen Teenager weiter. Gut 40 Palästinenser wurden in der Nacht verhaftet. Am Dienstag gab die Polizei den Mitschnitt des Telefonats zur Veröffentlichung frei, in dem der entführte Gilad Schaer einer Beamtin die Worte: „Ich bin entführt worden“, zuflüstert. Die Leitung des Mobiltelefons blieb für etwa zwei Minuten offen. „Nehmt die Köpfe runter“, ist einer der Entführer auf Hebräisch zu hören, dann mehrere Schüsse und anschließend freudiger Gesang der beiden Palästinenser. Die Nachrichtendienste konzentrieren die Suche auf Marwan Kawasme und Amar Abu Aysha aus Hebron. Die beiden Männer sind am Tag der Entführung untergetaucht und gelten als Hauptverdächtige.