Nachts wird in Mogadischu geschossen

Die US-Streitkräfte setzen ihre Angriffe gegen Ziele in Somalia fort. Präsident Yusuf hat damit kein Problem. Doch die gestürzten Islamisten denken bereits an den Kampf von morgen. 3.000 ihrer ausgebildeten Kämpfer sollen noch in der Hauptstadt sein

AUS MOGADISCHUILONA EVELEENS

Der somalische Präsident Abdullahi Yusuf hat kein Problem damit, wenn die USA Ziele in seinem Land bombardieren. „Die Amerikaner haben nicht unserem Volk geschadet, sondern eine Aktion gegen somalische und internationale Terroristen durchgeführt“, sagte Yusuf am Dienstag bei einem Pressegespräch im Präsidentenpalast von Somalias Hauptstadt Mogadischu, wo er seit dem Vortag residiert. Yusufs Regierung hatte Ende 2006 dank einer äthiopischen Militärintervention die Kontrolle über Süd- und Zentralsomalia erlangt und die seit einem halben Jahr dort herrschenden Milizen lokaler islamischer Gerichte vertrieben.

Somalischen Regierungskreisen zufolge griffen die US-Streitkräfte auch gestern wieder vier Ortschaften im Süden des Landes nahe der Grenze zu Kenia an, wo sie hochrangige Al-Qaida-Mitglieder vermuten. Über mögliche Opfer lagen zunächst keine Angaben vor. In Mogadischu selbst kommt es jede Nacht zu Schießereien. Dienstagabend griffen schwer bewaffnete Milizionäre Stellungen der somalischen und äthiopischen Armee an. Die bewaffneten Auseinandersetzungen, bei denen mindestens drei Personen getötet wurden, hielten eine Stunde an.

Der Präsident, Premierminister Mohamed Ghedi und seine Berater benehmen sich wie Gewinner. Selbstsicher und arrogant lehnt Yusuf Verhandlungen mit den unterlegenen Führern der Union Islamischer Gerichte (UIC) ab. In einem Zimmer seines Palastes mit Blick auf den Indischen Ozean sagt er: „Wir verhandeln nur mit dem somalischen Volk.“

Abdi Abdullahi Jaama wird an solchen Gesprächen sicher nicht teilnehmen. Der 18-Jährige wohnt in einem kleinen Haus in einer der staubigen Straßen in der Innenstadt von Mogadischu. Er erholt sich von Verletzungen an Schulter und Rücken. Der junge Mann mit den dunklen Augen und der festen Stimme ist ein Kämpfer der UIC. Schätzungen zufolge sind etwa 3.000 UIC-Anhänger in der Hauptstadt zurückgeblieben. Ihre Uniformen haben sie ausgezogen und sich unter die 2,5 Millionen Einwohner Mogadischus gemischt.

„Wir haben den Kampf nicht verloren“, sagt Jaama, während er seinen Pampelmusensaft trinkt. „Wenn meine Wunden verheilt sind, mache ich weiter. Die Äthiopier werden es bereuen, dass sie hierher gekommen sind. Und mein Kampf wird sich auch gegen den Teufel Bush richten. Ich verteidige den Islam und mein Land.“

Vor einem Jahr meldete Jaama sich bei der UIC, als die Organisation junge Männer rekrutierte. Er erhielt eine zweimonatige Ausbildung in Somalia, danach wurde er als einer von 300 anderen ausgewählt, um ein weiteres Training in Eritrea zu bekommen. „Wir wurden von Eritreern trainiert, aber auch von Somaliern. Wir lernten viel über Kriegsführung und wie man Bomben baut.“ Nach zwei Monate kehrte er heim und wurde Ausbilder von neuen Rekruten. Als die Lage Ende letzten Jahres immer angespannter wurde, bekam er den Auftrag, an die Front bei Baidoa, dem ehemaligen Regierungssitz von Präsident Yusuf, zu gehen. „Uns wurde verboten, den Kampf zu beginnen, aber wir durften uns gegen Angriffe verteidigen. Und dann griffen die Äthiopier als Erste an.“

Am sechsten Kriegstag wurde Jaama durch Granatsplitter verletzt und nach Mogadischu ins Benadir-Krankenhaus gebracht. Als die äthiopischen Soldaten in die Stadt einrückten, verließ er zusammen mit den meisten Patienten und Angestellten die Klinik und kam bei seiner Mutter unter. „Sie ist stolz auf mich und froh, dass ich mich der UIC angeschlossen habe.“

Viele seiner Mitkämpfer sind nun tot, andere geflohen und werden von den US-Streitkräften bombardiert. Die UIC ist zerschlagen. War das den Kampf wert? „Ich habe keinerlei Zweifel. Ich glaube an jedes Wort im Koran, das ist mein Leben“, sagt Jaama, und es hört sich an, als zitiere er ideologische Sprüche. „Ich habe gesehen, wie friedlich es in Mogadischu unter der Kontrolle der UIC war. Jetzt erscheinen wieder halbnackte Menschen im Fernsehen, und auf der Straße wird wieder geraucht. Das alles widerspricht dem Koran.“ Er glaubt nicht daran, dass die Regierung von Yusuf einer der gefährlichsten Städte der Welt Ordnung und Frieden bringen kann. Das kann seiner Überzeugung nach nur die UIC. „Und wenn wir gesiegt haben, werde ich für Imam studieren“, sagt er mit einem scheuen Lächeln. Aber es wäre nicht überraschend, wenn der Kampf von Abdi Abdullahi Jaama in einem Selbstmordkommando endet.