Eine neue Hölle für Oldenburg

Die Fußballer des VfB Oldenburg dümpeln in der fünften Liga. In der Krise Anfang der Neunziger verscherbelten sie sogar ihr Stadion. Nun wollen ein paar Fußballverrückte ein neues Stadion hinstellen, das manchem Zweitligisten gut zu Gesicht stünde

VON ANNEDORE BEELTE

Sie nannten es die „Hölle des Nordens“: das alte Fußballstadion im Oldenburger Stadtteil Donnerschwee. Es hat noch die Saison 1989/90 erlebt, als der VfB Oldenburg in der 2. Bundesliga spielte. Offenbar ein Erfolg auf Pump: Der überschuldete Verein musste das von den Fans heiß geliebte Stadion seinerzeit verkaufen, um zu überleben.

Heute kickt der VfB in der Niedersachsenliga West, der fünften Liga. Dennoch ist Oldenburg derzeit euphorisiert vom Traum von einem neuen, bundesligareifen Stadion. Der Ingenieur Jochen Rehling und der Architekt Lars Frerichs haben in der ereignisarmen Zeit zwischen den Jahren einen Vorstoß in der lokalen Nordwestzeitung gewagt. Bei der Stadt winkte man da noch ab: Die Initiatoren konnten kein überzeugendes Finanzierungskonzept vorlegen, sagte Sprecherin Christine Maaß. Auch Frank Lachmann, Vorsitzender des VfB, blieb gelassen. „Man muss auf dem Boden bleiben.“

Am vergangenen Wochenende ließen die Initiatoren die Katze aus dem Sack. Eine ganzseitige Anzeige in der Nordwestzeitung verkündete: „Das neue Stadion kommt.“ Die „Ashampoo-Arena“ in Donnerschwee, heißt es in einer Pressemitteilung, soll 15.000 Plätze umfassen und 20 Millionen Euro kosten. Als Namensgeber und Hauptsponsor tritt die Oldenburger Softwarefirma Ashampoo auf. „Wir haben keine 20 Millionen“, gibt Ashampoo-Geschäftsführer Rolf Hilchner offen zu. Doch ist er überzeugt: „Leistung ist wichtiger als Investment.“ Ashampoo sieht seine Aufgabe also vor allem darin, die Werbetrommel für Spenden und Sponsoring zu rühren. Hilchners Partner opfert gar seinen Porsche, um ihn bei Ebay zu versteigern. Die Ideen sind in Minimalzeit gesprudelt: Erst am Mittwochabend habe Rehling den Leuten von Ashampoo eröffnet, dass ihnen die Ehre zukommt, für die Arena Pate zu stehen.

Auf der Webseite von Ashampoo fordern bereits 300 Fans, sofort mit dem Bau zu beginnen. Das Spendenbarometer ist über 6.000 Euro geklettert. Im Büro von Oberbürgermeister Gerd Schwandner (CDU) herrscht Aufbruchstimmung. „Man würde den Drive zerstören, wenn man jetzt in üblicher Verwaltungsmanier Bedenken äußert“, sagt Schwandners persönlicher Referent, Olaf Klaukien. „Wenn der OB das nicht unterstützt, ist das Projekt tot.“ Für die Stadt bestehe schließlich kein Risiko, wenn Privatleute investieren. Wer für den Unterhalt aufkommen soll? Solche Detailfragen könne man später klären. Der VfB jedenfalls sieht sich dazu laut Lachmann nicht in der Lage. Ashampoo-Sprecher Jochen Rehling spielt mit dem Gedanken, das fertige Stadion der Stadt zu übergeben. Mit der Bewirtschaftung könne die sogar noch Plus machen.

Der VfB stimmt pflichtschuldig in den Jubelchor ein: Eine „ganz tolle Idee“ nennt Lachmann die Initiative. „Natürlich ist es machbar, das Stadion zu füllen.“ Allerdings hänge das alles von der sportlichen Entwicklung, sprich vom anvisierten Aufstieg in die Oberliga ab. Der VfB steht mit 32 Punkten an der Tabellenspitze. Die Auslastung bei VfB-Spielen sei immer überdurchschnittlich, mit 6.000 Zuschauern sind sie Rekordhalter in der fünften Liga.

Mit der Debatte wird auch die selbstgemachtFrage nach der Zukunft des maroden Marschwegstadions akut, das nicht nur vom VfB, sondern auch von den Oldenburger Leichtathleten und 14 Schulen genutzt wird. Es wurde einst auf einer Müllkippe gebaut. Das macht sich heute bemerkbar, in Form von Versackungen und Unebenheiten auf der Laufbahn. Leichtathletik-Meisterschaften können hier längst nicht mehr stattfinden. Der „Sportentwicklungsplan“, den die Stadt in Auftrag gegeben hat, empfiehlt den „Rückbau“ des Stadions. Jochen Rehling schlägt gleich vor, das Gelände zu Parkplätzen umzufunktionieren. „Das alte Stadion wird mit Sicherheit aufgegeben“, befürchtet Detmar Damke, Sportwart der Abteilung Leichtathletik beim VfL, wenn die Ashampoo-Arena kommt. Dann gebe es kaum noch Trainingsmöglichkeiten für Leichtathleten in Oldenburg. „Der Stellenwert des Fußballs rechtfertigt das neue Stadion nicht“, findet Damke. Während der VfB fünftklassig kickt, nähmen Oldenburger Leichtathleten an Landes - und Deutschen Meisterschaften teil.

Bedenken gegen die Ashampoo-Arena kommen auch von einem Urgestein des Oldenburger Fußballs: Klaus Baumgart, einstiger Torwart und Vizepräsident des VfB, aber besser bekannt als der „große Klaus“ vom maritimen Blödel-Duo „Klaus und Klaus“, findet, der VfB solle es erst mal in Oberliga schaffen: „Wenn du beim VfB kickst, solltest du auch Motivation haben, wenn du auf dem Acker spielst.“