Eier gegen die neue Regierung

Proteste begleiten die Vereidigung der großen Koalition in Österreich. Die Frauenquote liegt bei 40 Prozent, ein ehemaliger Zivi wird Verteidigungsminister

WIEN taz ■ Österreich hat wieder eine Regierung unter sozialdemokratischer Führung. Die Rechtspopulisten um Jörg Haider mussten nach sieben Jahren ihre Kabinettsposten räumen. Doch SPÖ-Anhänger kamen nicht zum Jubeln auf den Ballhausplatz in Wien. Vielmehr musste die neue Regierung, als sie gestern Vormittag zur Vereidigung durch Bundespräsident Heinz Fischer in die Hofburg schritt, von einer Hundertschaft Polizisten gegen fliegende Eier, Tomaten und Farbbeutel abgeschirmt werden.

An die 2.000 wütende Demonstranten, vorwiegend aus dem studentischen Milieu, protestierten gegen den neuen Regierungschef Alfred Gusenbauer (SPÖ), dem sie vorwarfen, seine Wahlversprechen gebrochen und dem konservativen Koalitionspartner ÖVP zu viele Konzessionen gemacht zu haben. Das Szenario erinnerte an die Vereidigung der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung, die durch einen unterirdischen Gang vor den Protesten flüchtete. Auch in den Bundesländern wurde gestern protestiert. In Salzburg mauerten Jungsozialisten den Eingang der SPÖ-Zentrale zu. In der Steiermark sollen 1.000 SPÖ-Mitglieder ihre Parteibücher zurückgegeben haben. Der linke Parteiflügel schwankt zwischen Abspaltung und Putsch.

Bei den Wahlen vom 1. Oktober hatte die SPÖ 35 Prozent und 68 Mandate erreicht, die ÖVP war mit 34 Prozent und 66 Sitzen im Nationalrat mit 183 Sitzen überraschend zur zweiten Kraft abgestiegen. Doch in den Verhandlungen zeigte der abgetretene Kanzler Wolfgang Schüssel größeres Geschick. Er holte für die ÖVP gleich viele Kabinettsposten heraus wie der größere Partner und konnte die Schlüsselressorts Äußeres, Inneres und Finanzen besetzen.

Alfred Gusenbauer zeigt sich dennoch mit dem Erreichten zufrieden. Einige der neuen SPÖ-Minister bekamen bereits Vorschusslorbeeren, so die in der Öffentlichkeit bisher unbekannte Bankmanagerin Claudia Schmidt, die unerwartet mit dem Ressort Bildung und Kultur betraut wurde. Auch Sozialminister Erwin Buchinger gilt als kompetent und engagiert. Auf größere Skepsis stößt der erfolgreiche Wahlkampfmanager Norbert Darabos, der mit dem Verteidigungsministerium das undankbarste Amt bekommt. In den Rechtsparteien FPÖ und BZÖ findet man es unerhört, dass ein ehemaliger Zivildienstleistender die Armee befehligen soll. Auch einige pensionierte Generäle zeigten sich empört.

Während sie im Maria-Theresien-Zimmer der Hofburg auf die Vereidigung waren, wirkten die Kabinettsmitglieder gelöst und die Stimmung zwischen ÖVP- und SPÖ-Leuten schien entspannt. Vor allem von den neuen Gesichtern blickten einige noch etwas ungläubig. Unter dem Druck des vor Weihnachten schon auf 11. Januar festgesetzten Antrittstermins litt nicht nur die Redaktion des 167 Seiten umfassenden Regierungsprogramms, sondern auch die Personalplanung. Begehrlichkeiten der Bundesländer und der Parteiorganisationen mussten berücksichtigt und eine Frauenquote von 40 Prozent erfüllt werden. So wurden einige StaatssekretärInnen erst am Vortag ausgewählt und informiert. RALF LEONHARD