Ich höre Hupen, keine Schüsse

über die Rückkehr der Normalität

NORA MBAGATHI

Unsere Autorin, 23 Jahre alt und Berlinerin, studiert seit drei Jahren in Kairo. Sie berichtet vom Alltag im aktuellen Chaos der Demonstrationen gegen Staatspräsident Mubarak.

Na, Ashraf, ist es vorbei?“ Diese Frage stellt Sherif seit einer Woche jeden Tag unserem Freund und legt sich nach Ashrafs bestimmtem „Nein“ wieder schlafen. Er beteiligt sich nicht an den Demonstrationen.

Downtown hat in den letzten Tagen zwei Gesichter. Auf dem Weg von meiner Wohnung zum Tahrir-Platz sehe ich, dass wieder Autos fahren. Es ist nicht so voll und laut, wie man das von normalen Zeiten kennt. Aber während ich dies schreibe, höre ich draußen Hupen, keine Schüsse. Die meisten Läden sind noch geschlossen, doch ich laufe mit Ashraf an einem offenen Friseursalon vorbei, und ihm fällt ein, wie dringend er einen Haarschnitt braucht.

Der Tahrir-Platz ist immer noch sehr voll, und die Leute haben wieder angefangen, Popcorn und Süßkartoffeln zu verkaufen. An die brutalen Ereignisse von Mittwochnacht erinnern nur noch die zivilen Sicherheitskontrollen und die große Anzahl derer, denen man ihre Verletzungen ansieht.

Viele tragen auch noch immer Schutzhelme. „Der hat aber Glück gehabt“, bemerke ich lächelnd, als wir einen Mann sehen, dessen Motorradhelm ein eindeutiges Einschussloch hat. „Wenn es denn sein Helm ist“, antwortet meine Freundin Nada, die Mittwochnacht auch auf dem Platz war. Das Lächeln gefriert auf meinem Gesicht.

Auf dem Tahrir-Platz selbst merkt man nichts von der Normalität in Kairos Straßen, und viele von denen, die die letzte Woche hier in Zelten verbracht haben, spüren noch gar nicht, wie sehr sich die Atmosphäre verändert hat. Die unter ihnen, die ab und zu den Platz verlassen, wissen es jedoch und sind in diesen Tagen sehr still: Sie fürchten, dass dem Protest das Rückgrat gebrochen ist. „Wir müssen wenigstens sicherstellen, dass das Notstandsgesetz außer Kraft gesetzt wird, sonst gibt es, wenn das hier vorbei ist, irgendwo eine Explosion. Wir werden alle verhaftet, und man sieht uns nie mehr wieder“, sagt Nada düster.

Als Ashraf und ich den Platz verlassen, ist unsere Stimmung gedrückt. „Ist es vorbei?“, fragt er mich. Ich weiß es nicht.