Auf der Suche nach dem Leidbringer

JUBILÄUM Das Hamburger Institut für systemische Weiterbildung feiert sein 15-jähriges Bestehen. Zu seinen Lehrgängen in Systemischer Therapie gehören mittlerweile auch Beratung, Mediation, Coaching, Frühförderung und Supervision

VON FRIDA KAMMERER

Das Hamburgische Institut für systemische Weiterbildung (HISW) wird fünfzehn Jahre alt. Seit 1999 bieten die Gründerinnen Ursula Wolter-Cornell und Susanne Vormbrock-Martini in Rahlstedt Lehrgänge in Systemischer Beratung, Therapie und Supervision an. Vormbrock-Martini hat schon vor Gründung des HISW in der Schweiz als systemische Therapeutin gearbeitet, bevor sie in Hamburg zunächst eine Praxis als Familientherapeutin eröffnete.

Systemische Beratung oder Therapie ist aus der Psychotherapie hervorgegangen, aber beeinflusst von Inhalten der Kommunikationswissenschaften. So kommen hier Theorien zentraler Figuren wie die des Soziologen Niklas Luhmann zum Tragen. Auch Ansätze aus der Technik sind dabei – zum Beispiel die Idee, Probleme durch das Ausschlussprinzip zu erkennen. Ausgangspunkt ist, dass der Mensch in einem Kreislauf der Kommunikation funktioniert. Kommt er mit diesem Kreislauf nicht zurecht, muss man den von außen durchbrechen – und hier kommt die Systemische Therapie ins Spiel.

„Die zentrale Aussage ist: Man geht nicht davon aus, dass die Probleme immer eine Ursache haben, sondern dass mehrere Umweltfaktoren wie Familie und Freundeskreis mitspielen“, sagt HISW-Institutsleiterin Vormbrock-Martini. „Wir blicken eher in die Zukunft und versuchen, den Kreislauf zu durchbrechen, als den Kunden sein Trauma immer wieder durchleben zu lassen.“ Die TherapeutInnen versuchen, das Problem förmlich einzukreisen, um es so definieren zu können.

„Man schaut nicht in Menschen, was an ihm krank ist, sondern wie der Mensch die Beziehung zu seiner Umwelt gestaltet, und versucht zu finden, was da leidbringend ist“, sagt Vormbrock-Martini. Es werde viel mit Hypothesen gearbeitet, wenig mit festen Diagnosen, da (nach Luhmann) davon ausgegangen wird, dass sich jeder Mensch seine Wirklichkeit selbst konstruiere und sich dadurch starre Diagnosen nicht bilden ließen. Für die Therapie bedeute das, dass die Menschen mit kreativen Methoden ermutigt werden, andere Perspektiven einzunehmen und das Problem so zu betrachten.

Genau das aber bemängeln KritikerInnen der Systemischen Therapie: Da viel mit Hypothesen und wenig mit Diagnosen gearbeitet wird, sieht nicht jeder Therapeut diese Therapie als Forschungsfeld an. Erst seit 2009 wurde in Rheinland-Pfalz vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen eine Zulassung zur Ausbildung in der Systemischen Psychotherapie bei Erwachsenen ausgesprochen. Seit 2010 darf auch im Bereich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie im Vertiefungsgebiet Systemische Therapie ausgebildet werden.

Damit ist Rheinland-Pfalz Vorreiter. Dafür musste aber zunächst der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie in einem verabschiedeten Gutachten die Wissenschaftlichkeit der Systemischen Therapie feststellen. Andere Bundesländer sind davon noch weit entfernt. Doch auch in Rheinland-Pfalz gibt es noch keine reine Approbation für Systemische Therapie. Die gibt es nur im Zusammenspiel mit dem kleinen HeilpraktikerInnen-Schein. Bisher ist die Systemische Therapie vor allem eine Zusatzqualifikation – auch beim HISW.

Das ist in den vergangenen 15 Jahren stetig gewachsen: Inzwischen bietet das Institut auch Weiterbildungen in Systemischer Mediation, Coaching, Kinder- und Jugendlichentherapie sowie in Interdisziplinärer Frühförderung, Inklusion und Supervision an. Vor allem die ist heute in vielen Berufen gefragt. „Wenn zum Beispiel ein Sozialarbeiter sich mit einem Fall überfordert fühlt oder sich selbst zu stark einbezogen sieht, dann kann Supervision helfen, eine andere Meinung zur persönlichen Beratung zu haben“, sagt Vormbrock-Martini. Mit einem Tag der offenen Tür feiert das HISW sein Jubiläum. Workshops und kürzere Fortbildungen sind im Programm. Die Themen Datenschutz und Schweigepflicht, Kreatives Schreiben, Trauma und Egostate-Therapie, Kindesvernachlässigung sowie Biografiearbeit in Familienrekonstruktionen werden von den TrainerInnen und SupervisorInnen dann vorgestellt.

Tag der offenen Tür: Fr, 11. Juli, 14 bis 18.30 Uhr mit Informationen zu allen Angeboten mit der Institutsleitung und den DozentInnen, Einführungs-Workshop für die nächste Weiterbildung „Systemisch Arbeiten und Beraten“ (hierfür wird um Anmeldung gebeten). Abends Fest mit Musik, Catering und Theater.

Info: www.hisw.de