Harald Keller Der Wochenendkrimi: Irland sehen und sterben?
Sergeant Gerry Boyle (Brendan Gleeson) blickt nachdenklich aufs Meer und knurrt: „Was für ein verfickt schöner Tag.“ Was der Erwähnung nicht wert wäre, hätte er nicht just bezeugt, wie sich ein Rudel ausgelassener Burschen im Rausch gekonnt ins Jenseits beförderte. James Dean. Paul Walker. In dem Stil. Boyle zuckt darob nicht mal mit den Schultern, sondern fingert einem der Toten ein Tütchen Pillen aus den Taschen. Um gleich selbst mal eine einzuwerfen.
Später wird sich Boyle am Telefon mit den Worten „der Letzte einer aussterbenden Art“ melden. Er ist ruppig, aber nicht dumm, er weiß, dass der Fortschritt ihn schon beinahe überrollt hat. Noch trotzt er der Moderne, maßregelt den jungen Naseweis aus Dublin, obwohl der doch artig um seine Zuneigung buhlt. Aber Boyle ist gerade ausgesprochen grimmig. Ein unbekanntes Subjekt besaß die Frechheit, sich in seinem Amtsbereich erschießen zu lassen – und Morde bedeuten Scherereien. Drogengangster spielen sich groß auf, ein schwarzer FBI-Agent (Don Cheadle) aus den USA ist zur Stelle und erntet rassistische Sprüche. Von niemand anderem als dem wuchtigen Boyle, der die unvermeidliche Zurechtweisung mit den Worten pariert: „Ich bin Ire. Rassismus ist Teil meiner Kultur.“
Prächtige Figuren hat sich der Autor und Regisseur John Michael McDonagh, dessen Bruder Martin mit Hauptdarsteller Gleeson schon „Brügge sehen … und sterben?“ gedreht hatte, da einfallen lassen. Er hat sie an der Küste westlich von Galway bildschön in Szene gesetzt, ihnen geschliffene Dialoge voller Hoch- und Popkulturanspielungen zugeschrieben.
Unweigerlich denkt man an Tarantino, aber McDonagh hat durchaus seine eigene Art. Die Kunst liegt darin, keine große Sache draus zu machen. So wie sich Sergeant Gerry Boyle ohne viel Aufhebens der Gangster annimmt. Nichts gegen Korruption, aber alles hat seine Grenzen.
■ „The Guard – Ein Ire sieht schwarz“, Sa., 22 Uhr, BR
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