Gegen Gewalt geht’s nicht ohne Eltern

Um Gewalt an Schulen zu verhindern, müssen auch die Eltern in die Präventionsarbeit einbezogen werden. Elf Grundschulen wurden gestern für ihre Projekte ausgezeichnet – nur wenige bewarben sich um den Förderpreis

Bares Geld fürs Streiten? Eltern drücken die Grundschulbank? Gibt’s nicht? Gibt’s doch. Die Vineta-Grundschule im Bezirk Mitte und die Franz-Schubert-Grundschule in Neukölln zeigen, wie es geht. Diese und neun weitere Grundschulen wurden gestern im Berliner Rathaus ausgezeichnet. Sie hatten sich um einen Preis des Förderprogramms 2006 „Schule und Eltern aktiv für Toleranz und demokratisches Handeln“ beworben. Der mit insgesamt 11.000 Euro dotierte Preis wird seit 2004 von der Berliner Landeskommission gegen Gewalt ausgelobt.

„Kleine Schritte – gemeinsam“ heißt das Konzept der Vineta-Grundschule, das die Jury überzeugte. Das „Elterncafé“ ist ein Teil des Projekts. Doch wer hier an Kaffeetrinken und den neuesten Kiezklatsch denkt, liegt nur teilweise richtig. „Das Café ist eine Plattform für Gespräche über zum Teil sehr schwierige Themen“, erklärt Wolfgang Miehe, Lehrer und Mitorganisator der Einrichtung. Da gehe es etwa um „die Rolle der arabischen Frau innerhalb der Schule“. An jedem letzten Donnerstag des Monats wird an der Vineta-Grundschule ein interkultureller Dialog im Kleinen ermöglicht.

438 Schüler, über 82 Prozent von ihnen mit Migrationshintergrund, Eltern aus fast 25 Nationen: das ist die pure Statistik der Weddinger Grundschule im laufenden Schuljahr. Dass es dadurch zu Konflikten kommt, ist Realität. Diese entladen sich zwar meist auf dem Schulhof, Probleme der Eltern und Probleme zwischen den Schüler lassen sich aber nicht strikt voneinander trennen. Und deswegen versteht Wolfgang Miehe seine Arbeit als „Kreis, der sich schließt“ – Präventionsarbeit, die SchülerInnen und Eltern einbezieht.

Zweites Standbein des Gewaltpräventionsprojektes der Vineta-Grundschule sind deshalb die Konfliktlotsen. Während sich das Elterncafé um ein sehr grundlegendes Miteinander kümmert, wird es dabei ganz konkret: Insgesamt 25 zu Streitschlichtern ausgebildete SchülerInnen gibt es. Mit roten Anoraks, gut sichtbar für alle, stehen fünf von ihnen während der Pausen auf dem Schulhof. „Gibt es Streit zwischen zweien“, erläutert Gamze, „laden wir sie zu einem Gespräch ein.“ Die Elfjährige ist seit einem halben Jahr Konfliktlotsin, „weil Gewalt doof ist“, wie sie sagt. In Eigenregie, ohne einen Erwachsenen, wird das Gespräch mit den Streithähnen geführt. Dann treffen die Parteien eine Vereinbarung, und so ist das Problem meist aus der Welt geschafft.

Das preisgekrönte Projekt der Franz-Schubert-Grundschule legt sein Hauptaugenmerk auf die Eltern: „Zukunftswerkstatt“ heißt es – und ist tatsächlich Zukunftsmusik. Erst in den nächsten Monaten soll mit den Eltern gemeinsam an der Zukunft der Schule gebastelt werden.

Ein solches Projekt gab es an der Neuköllner Grundschule schon einmal. Das war 1996. Damals sei auf die Idee von Eltern hin, so Lehrer und Mitorganisator Wolfgang Höfert, das Schulfach „Soziales Lernen“ für alle Klassen eingeführt worden. Welche konkreten Ergebnisse die diesjährige Zukunftswerkstatt haben wird, lässt sich noch nicht abschätzen, meint Höfert. Das komme darauf an, welche Bedürfnisse von den Eltern formuliert würden. Vorstellbar sei es zum Beispiel, einen regelmäßigen türkischsprachigen Gesprächskreis zum Thema Erziehung einzurichten – wenn die Eltern das wollen.

Insgesamt 16 Schulen haben sich mit ihren Ideen um eine Fördersumme beworben. Dass es nur so wenige der insgesamt fast 450 Grundschulen waren, führt Klaus Kommoß, pensionierter Polizist und ehrenamtlicher Mitarbeiter der Landeskommission gegen Gewalt, auf Schwierigkeiten bei der Ausschreibung zurück: Wegen der Ferien sei es nicht so einfach, immer alle zu erreichen. Wie viele Schulen insgesamt Projekte anböten, könne er darum nicht sagen.

GITTE DIENER