Mach’s noch einmal, Becks

David Beckham, Bankdrücker bei Real Madrid und echter Global Player, wechselt ins Fußballentwicklungsland USA. Er spielt ab Sommer dieses Jahres für Los Angeles Galaxy in der Major League Soccer. Ist das eine sinnvolle Entscheidung?

proVON ANDREAS RÜTTENAUER

Es ist vollbracht. David Beckhams Engagement in der Major League Soccer (MLS) mag zwar überraschend gekommen sein, gut vorbereitet war es allemal.

Jahrelang hatte sich die US-Fußball-Liga in Bescheidenheit geübt. 1994 fand die Fußball-WM in den USA statt. Die Vergabe des für das US-Sportpublikum keineswegs herausragenden Ereignisses in das Land, in dem der gute alte Football Soccer genannt wird, war mit der Zusage des US-Fußballverbandes verbunden, eine eigenständige Profiliga zu gründen. Dies geschah 1993. Drei Jahre später nahm die Major League Soccer den Spielbetrieb auf – in bescheidenem Umfang. Die Ligaverantwortlichen wollten nicht noch einmal dieselben Fehler machen, die von der North American Soccer League begangen wurden, die mit der Verpflichtung von Pelé, Franz Beckenbauer und Johan Cruyff zwar eine kurze Blüte erlebte, sich dabei aber ruinierte und 1984 den Spielbetrieb einstellen musste. Nein, die Major League Soccer sollte die eine professionelle Basis für die Entwicklung des Fußballs in den USA sein. Zwar wurden mit dem Italiener Roberto Donadoni oder dem deutschen Rekordnationalspieler Lothar Matthäus auch Fußballprominenz im Vorruhestandsalter verpflichtet. Doch auf große Abenteuer ließ sich die Liga nicht ein. Sie setzte auf US-Spieler. Bei der WM 2002 in Japan und Südkorea zeigte sich der US-Fußball erstmals konkurrenzfähig. Die Mannschaft kam bis ins Viertelfinale und verlor unglücklich gegen Rudi Völlers Vizeweltmeisterteam. Das Selbstvertrauen, das sich der Soccer in Fernost geholt hat, wurde auch durch das schwache Abschneiden bei der WM im vergangenen Sommer nicht beeinträchtigt. Auch die Liga wähnt sich seit 2002 auf dem Vormarsch.

Vor ein paar Jahren medial kaum wahrzunehmen, werden in der Saison 2007 erstmals alle Spiele im US-Fernsehen zu sehen sein. Die Liga expandiert in Richtung Norden. Der FC Toronto wird in der kommenden Saison als 13. Team neu in der MLS spielen. Ein Ausrüstervertrag mit Adidas spült über zehn Jahre 150 Millionen US-Dollar in die Ligakasse. Real Salt Lake wird heuer einen Trikotsponsor präsentieren, das ist ein Novum – nicht nur im Soccer, sondern in gesamten etablierten US-Teamsport. Neue reine Fußballarenen wurden errichtet. Seit 2006 spielt Chicago Fire im eigenen Stadion. Die New York Red Bulls werden bald nicht mehr zu Gast sein müssen in der Baseball-Arena der Giants. Auch für sie entsteht ein Fußballstadion. In einem solchen spielt bereits L. A. Galaxy. Das Home Depot Center fasst 27.000 Zuschauer und hat es der Galaxy ermöglicht, als erstes Team der MLS Gewinne einzufahren.

Nun kommt also David Beckham und sprengt mit einem kolportierten Jahresverdienst von 50 Millionen US-Dollar erst einmal alle Grenzen. Ein Zufall ist das nicht. Im November beschloss die Liga, dass die Gehaltsobergrenzen für große Stars gesprengt werden dürfen. Sie setzt zum großen Sprung an. Sie fühlt sich endlich reif. David Beckham, der mit seinen 31 Jahren alles andere als ein Fußball-Vorruheständler ist, könnte mit seinem Wechsel in die USA tatsächlich einer Entwicklung zum Abschluss verhelfen, die noch vor ein paar Jahren undenkbar schien. Sollte das Experiment Weltstar funktionieren, werden Beckham bald schon die nächsten Fußballidole in die MLS folgen. Sollte der Fußball den US-Markt tatsächlich erobern, es wäre auch ein Verdienst von David Beckham. Das Sportbusiness jedenfalls glaubt daran und investiert in die horrende Gage der Werbe-Ikone.

Es könnte sich lohnen.

contraVON MARKUS VÖLKER

Der letzte spektakuläre Transfer eines Europäers in den US-Fußball liegt drei Jahre zurück. Jay Goppingen lief für die Orange County Blue Stars in der Premier Development League auf. Der begnadete Goppingen erzielte in acht Spielen fünf Treffer, dann verschwand er von der Bildfläche, nannte sich fortan wieder Jürgen Klinsmann und eroberte Fußballdeutschland. Im Sommer 2007, mitten in der Saison der Major League Soccer (MLS), kommt nun also David Beckham zu Los Angeles Galaxy. Es ist die spektakulärste Verpflichtung seit Franz Beckenbauer und Pelé, die in den Siebzigerjahren den US-Amerikanern diese merkwürdige Sportart näherbrachten. Das Land war ja daran gewöhnt, dass ihre Sportstars den Ball in die Hand nehmen. Plötzlich wurde er mit dem Fuß bewegt. Noch immer fremdelt der gemeine Amerikaner mit dieser Variante des Ballspiels.

Beckham bekommt 250 Millionen Dollar für fünf Jahre Beschäftigung. Das macht eine Million pro Woche. Der Rest des Teams bekommt im gleichen Zeitraum durchschnittlich 1.730 Dollar. Warum? Weil im US-Fußball der sogenannte Salary Cap gilt, eine Budget- und Gehaltsobergrenze. Die liegt in der MLS bei 2,1 Millionen pro Mannschaft. Nur „Designated Players“ wie Beckham dürfen mehr verdienen; jedes Team darf sich einen, maximal zwei dieser Privilegierten leisten. Die Ausnahme wurde erst im November 2006 beschlossen, weswegen sie auch Beckham-Regel genannt wird.

Diese Regelung, und nur diese Regelung, hat den Engländer, mittlerweile 31 Jahre alt, nach Kalifornien gelockt. Dass seine Frau Victoria Ambitionen hegt, in Hollywood Nebenrollen zu bekleiden, mag stimmen, aber vorrangig ging es darum, Poshs exzessive Shoppingtouren abzusichern. Hinzu kommt, dass Beckhams Werbeportfolio perfekt in die USA passt. Der globale Spieler hat Verträge mit Gillette, Pepsi, Motorola und, last but not least, mit Adidas. Zufällig sponsern die Herzogenauracher die MLS mit 150 Millionen Dollar – für einen Zeitraum von zehn Jahren.

Wichtig für die Verpflichtung war in erster Linie der ungeheure Markenwert Beckhams. Sicherlich tritt er auch noch recht manierlich gegen den Ball, aber seine besten Tage liegen hinter ihm. Zuletzt saß er bei Real Madrid nur noch auf der Bank, wurde gelegentlich eingewechselt.

Jetzt soll die millionenschwere Ikone den US-Fußball beleben. Von ihr soll eine Sogwirkung auf betagte Stars in Europa ausgehen. Bisher gingen diese Profis in Japan oder Katar in Altersteilzeit, nun verspricht Amerika Ruhm und Reichtum im Herbst der Karriere.

Alle Zeichen der Beckham’schen Selbstvermarktung wiesen nach Hollywood. Sein Berater und Agent Simon Fullar hat das erfolgreiche und oft kopierte TV-Format „Pop Idol“ entwickelt und ist damit reich geworden. Die Agentur Creative Artists, die Brad Pitt und Tom Cruise vertritt, hat die Vertragsverhandlungen mit Galaxy begleitet. Kurzum: Ein verglühender Stern ist in eine abseitige Galaxis des Fußballs eingetreten, was nicht heißt, dass Beckham nicht mehr für Unterhaltung gut ist – und sei es für bunte Meldungen im Vermischten.

Fußballerisch ist nicht viel zu halten von dem Wechsel. David Beckham dürfte seinen Standfußball perfektionieren, sich mit Landon Donovan – auch er ist ein Designated Player in den Reihen von Galaxy – den Ball zuschieben und ein paar Schweißtropfen in Matchs gegen Dynamo Houston, den FC Dallas oder New England Revolution vergießen.

Was für ein sonniger Ausklang der Karriere! Und wie schön, dass Jay Goppingen gleich um die Ecke wohnt.