Deutschland meidet Herero-Häuptling

Zweieinhalb Jahre nachdem sich Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul in Namibia offiziell für den Völkermord an den Herero vor 100 Jahren entschuldigt hat, gibt es Ärger um eine 20 Millionen Euro schwere deutsche „Sonderinitiative“

VON ROLF-HENNING HINTZE

Noch ist das Dokument über eine deutsche „Sonderinitiative“ für Namibia nicht unterschrieben, da gibt es bei den Herero bereits helle Aufregung und Protest. Häuptling Kuaima Riruako, der traditionelle Führer der Herero, erklärte gegenüber der Zeitung New Era: „Die Deutschen können nicht einfach mit ihren eigenen Vorschlägen kommen, einfach beiseite tun, was wir fordern, und versuchen, uns ihre eigenen Vorstellungen aufzudrücken.“ Riruakos Wort hat bei den Herero und auch darüber hinaus Gewicht, darin sind sich alle Kenner der Verhältnisse einig.

Tatsächlich erfuhr die namibische Öffentlichkeit erst vor kurzem durch eine Ausschreibung in der Presse, dass es zwischen der namibischen und der deutschen Regierung zu einer Vereinbarung über deutsche Entwicklungsvorhaben gekommen sein muss, deren Unterschrift nur noch Formsache ist. Der Herero-Führer beklagt, dass er nicht einbezogen wurde, als die 20 Millionen Euro schwere „Sonderinitiative“ – früher einmal Versöhnungsinitiative genannt – ausgearbeitet wurde. Zugleich unterstrich er, dass die Forderungen nach Wiedergutmachung und einem Dialog mit der deutschen Regierung bestehen blieben. Laut Ausschreibungstext, den die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) nur zögerlich herausrückte, ist die vom Entwicklungsministerium in die Wege geleitete Initiative „für Entwicklungsprojekte und für Bevölkerungsgruppen gemeint, die historische Bindungen mit der deutschen Kolonialregierung hatten, die die gegenwärtige deutsche Regierung als besondere moralische und politische Verantwortung betrachtet“.

Unter „historischen Bindungen“ ist der Völkermord von 1904 bis 1907 an den Herero und Nama zu verstehen, den Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul im August 2004 zwar öffentlich in ihrer Entschuldigungsrede in Okakarara einräumte, dessen Erwähnung aber in Dokumenten der Entwicklungszusammenarbeit peinlich vermieden wird.

Im Ausschreibungstext für Beratungsunternehmen, der inzwischen auf der Homepage der National Planning Commission in Windhoek (www.npc.gov.na/) einzusehen ist, wird jedoch gleich im zweiten Absatz betont, dass es nicht die deutsche Absicht für die Sonderinitiative gewesen sei, „als Wiedergutmachung zu dienen“.

Ursprünglich hatte ein Abkommen über die Sonderinitiative bereits im Dezember 2005 bei einem Besuch des namibischen Staatspräsidenten Pohamba in der Bundesrepublik unterschrieben werden sollen, doch meldete dieser überraschend weiteren Konsultationsbedarf an. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Libertine Amathila besuchte daraufhin die verschiedenen in Frage kommenden Gebiete, um Vorschläge für Projekte einzuholen. Im Mai 2006 legte sie einen ausführlichen Bericht vor.

Damals war noch nicht abzusehen, dass im September das namibische Parlament erstmals eine wochenlange Debatte über den Völkermord führen würde. Die durch einen Antrag von Häuptling Riruako ausgelöste Debatte endete mit einer einstimmigen Entschließung, dass Verhandlungen mit der deutschen Regierung über Wiedergutmachung aufgenommen werden sollten.

Der Sprecher des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Markus Weidling, vertrat gestern die Ansicht, Häuptling Riruako sei „mit seiner abwartenden bis ablehnenden Haltung zunehmend nicht nur im Land, sondern auch innerhalb seiner Volksgruppe isoliert“. Der Erfolg der Sonderinitiative sei dadurch nicht gefährdet, meinte er.