Bush steht in Washington ganz allein

Einen Tag nach der Rede des US-Präsidenten zur neuen Irakstrategie hagelt es im US-Kongress Kritik an Bush. Demokraten und führende republikanische Senatoren gleichermaßen überlegen, wie der Präsident noch zur Umkehr gebracht werden könnte

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

„Surge“, Anwachsen, ist das US-amerikanische Wort für die von US-Präsident George W. Bush geplante Truppenaufstockung im Irak. Was Bush mit seiner Ankündigung jedoch am Tag danach in Washington erntete, war vor allem ein Anwachsen der Wut. Nicht nur Demokraten, sondern auch führende Republikaner verweigern ihm die Gefolgschaft. Für den republikanischen Senator Chuck Hagel ist Bushs Plan der „gefährlichste außenpolitische Fehltritt seit Vietnam“.

Seit Donnerstag ist der Schlagabtausch zwischen Kapitol und Weißem Haus in vollem Gange. Dabei ist der renommierte Außenpolitiker Hagel nicht der erste republikanische Senator, der sich gegen den Präsidenten stellt. Zahlreiche Republikaner stehen 2008 zur Wiederwahl an und fürchten mit der Ausweitung der Gewalt im Irak das Aus für ihre politischen Karrieren.

Der republikanische Senator Norm Coleman urteilt über Bushs Plan: „Ich weigere mich, in Bagdad das Leben weiterer Amerikaner aufs Spiel zu setzen, wenn es keine Garantie gibt, dass die Iraker die Gewalt selbst beenden.“ Sein Parteikollege Sam Brownback, der gerade aus dem Irak zurückgekehrt ist, sagt, er glaube nicht, „dass die Aufstockung der Truppen im Irak eine Antwort ist“. John Warner, der Ex-Chef des Streitkräfteausschusses, erwägt sogar, im Senat eine Resolution einzubringen, die die Annahme der Empfehlungen der Baker-Kommission einschließlich eines Rückzugs der Kampftruppen bis 2008 empfiehlt.

Außenministerin Condoleezza Rice, die am Tag nach Bushs lange angekündigter Strategierede dem Kongress in einer Anhörung Rede und Antwort über die Irakpolitik stehen musste, bekam zunächst den angesammelten Frust der Volksvertreter ab. Nachdem Rice versichert hatte, dass die US-Armee keinesfalls drohe, zwischen die Fronten eines schiitisch-sunnitischen Bürgerkriegs zu geraten, erwiderte Senator Hagel: „Frau Ministerin, was Sie hier sagen, ist nicht wahr.“ Der demokratische Senator Joseph Biden sekundierte: „Die Strategie des Präsidenten ist keine Lösung, Frau Ministerin, sondern ein tragischer Fehler.“

Zahlreiche Kongresspolitiker befürchten ein Übergreifen des Irakkriegs auf die Nachbarländer Iran und Syrien. Bush hatte in seiner Rede angekündigt, die US-Armee solle Extremisten über die Grenzen hinweg verfolgen. „Wenn der US-Präsident in den Iran einzufallen gedenkt, um diese Netzwerke zu verfolgen, glaube ich nicht, dass seine Ermächtigung zum Einsatz im Irak ausreicht“, sagte der einflussreiche demokratische Senator Joseph Biden. „Er braucht dafür die Befugnis des Kongresses.“

Bereits in der kommenden Woche könnte der Senat eine unverbindliche Resolution verabschieden, die den Präsidenten zum Verzicht auf die Truppenvergrößerung auffordert. Mit der Abstimmung will die Mehrheit der Demokraten Bushs Republikaner zwingen, Farbe zu bekennen. „Wenn man wirkliche Veränderungen will, muss man dem Präsidenten klarmachen, dass er alleine steht“, sagte Biden.