Sieg der Opposition in Bangladesch

Staatspräsident kündigt Verschiebung der umstrittenen Parlamentswahl an. Neuer Ministerpräsident nominiert

DELHI taz ■ Einen Tag nach der Verhängung des Ausnahmezustands hat sich die Lage in den Großstädten von Bangladesch weitgehend normalisiert. Staatspräsident Iajuddin Ahmed hatte am Donnerstag den Notstand erklärt. Damit sollte der dreitägige Transportstreik gebrochen werden, den die oppositionelle Awami-Liga und die achtzehn mit ihr verbündeten Parteien am Dienstag begonnen hatten.

Kurz nach der Ausrufung des Ausnahmezustands kündigte der Präsident in einer Radio- und Fernsehansprache die Verschiebung der Parlamentswahl vom 22. Januar auf unbestimmte Zeit an. Zugleich trat er von seinem Posten als Interimsregierungschef zurück. Neun der zehn Minister stellten daraufhin ihr Amt zur Verfügung. Der ehemalige Chef der Zentralbank von Bangladesch, Fakhruddin Ahmed, wurde am Freitag zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Seine Hauptaufgabe wird in der Durchführung einer Parlamentswahl bestehen.

Die Oppositionsfront unter Führung der Awami-Liga hatte zum Boykott der Wahl aufgerufen, nachdem Iajuddin Ahmed die Übergangsregierung übernommen hatte. Er stand von Anfang an unter dem Verdacht, von der bisherigen Regierungspartei BNP abhängig zu sein. Dieser Verdacht verstärkte sich, als er sich weigerte, die geforderte Revision der Wählerlisten vorzunehmen. Die Opposition behauptet, rund vierzehn Millionen registrierte Namen seien fiktiv oder gefälscht.

In den letzten Tagen hatte auch die internationale Gemeinschaft signalisiert, dass sie mit den Wahlvorbereitungen unzufrieden war. Kurz vor der Erklärung des Notstands hatte die UNO jede technische Unterstützung des Wahlprozesses eingestellt. Tags zuvor hatte die EU ihre Beobachtermission für beendet erklärt.

Ein Liga-Sprecher nannte den Rücktritt der Übergangsregierung und die Wahlverschiebung einen „Sieg des Volks“. Er äußerte sich allerdings nicht zur Aufhebung wichtiger Grundrechte. Laut Beobachtern lässt sich diese Maßnahme nicht lange durchhalten, und schon gar nicht während der Wahlen. Unter dem Notstand hat der Präsident nämlich noch weit mehr Macht als er als Interimspremierminister je gehabt hätte. Es wird daher angenommen, dass der Präsident das Notrecht nur solange aufrechterhält, bis eine neue und allgemein akzeptierte Übergangsregierung sowie eine gesäuberte Wahlkommission ihre Arbeit aufnehmen kann.

Die monatelange Auseinandersetzung in den Straßen, die 45 Todesopfer gefordert hat, hat einmal mehr die Zerbrechlichkeit der politischen Strukturen des armen Landes offengelegt. Diese sind offensichtlich nicht fähig, die verschiedenen Parteiloyalitäten in einen demokratischen Konsens zu zwingen. Die politische Gegnerschaft gründet fast ausschließlich in der Rivalität der beiden führenden Politikerinnen Khaleda Zia und Sheikh Hasina. Dies birgt die Gefahr, dass sich immer mehr Wähler einen ideologischen Schutz suchen.

Und den bieten nur die islamischen Parteien. Diese haben in den letzten Jahren als Juniorpartner der Regierung immer mehr an Gewicht gewonnen. Dadurch sind sie nicht nur respektierter geworden, sie konnten außerdem radikale Organisationen fördern, die sich zum bewaffneten „Dschihad“ bekennen.

BERNARD IMHASLY