Little Germany

Deutsches Fernsehen – endlich lustig: Aus Viva Plus wird heute Comedy Central. Und die Political TV-Correctness hat es ab sofort ziemlich schwer

VON BETTINA SCHULER

Deutsche Comedys sind ungefähr genauso provozierend wie das Jugendprogramm der Öffentlich-Rechtlichen: Wird dort mal ein Witz über Frauen, Homosexuelle oder gar Behinderte gemacht, schwingen die Programmverantwortlichen direkt hysterisch die Fahne der Political Correctness. Die Folge: anhaltende Langeweile. Doch damit ist jetzt Schluss. Zumindest, wenn es nach dem zum Viacom-Imperium (MTV, Viva, Nickelodeon) gehörenden Kanal Comedy Central geht. Er nimmt ab heute von Berlin aus seinen deutschen Sendebetrieb auf und löst den zum Clipabspielkanal verkommenen Musiksender Viva Plus ab.

Der erste reine Comedy-Kanal im deutschen Free-TV setzt nicht nur auf amerikanische und britische Erfolgsformate wie „Arrested Development“ oder die BBC-Serien „Little Britain“ und „The Office“ (Vorlage für „Stromberg“), sondern auch auf deutsche Stoffe. Gleich sechs eigene Formate gehen auf Sendung – darunter auch zwei recht gelungene Comedy-Shows: eine mit dem Duo Badesalz, die andere mit den Jungs von Mundstuhl.

Außerdem wird es eine sarkastische Version der „Versteckten Kamera“ geben: Die „Para-Comedy“, in der behinderte Comedians Passanten mit ihrem Handicap in die Irre führen, was sich leider lustiger und provokativer anhört, als es tatsächlich ist. „Als Ort der Innovation und Instrument der Nachwuchsförderung“ will sich der Sender mit solchen Formaten verstanden wissen und so für junge deutsche Comedians ein Sprungbrett darstellen.

Witze über Rassismus

In den USA ist dieses Konzept aufgegangen. Dort zählt Comedy Central zu den beliebtesten Kanälen bei jungen Männern bis 49. Mit Formaten wie „South Park“, die Comedy Central 1997 als erster Sender ausstrahlte (läuft seit 1999 auch auf RTL) oder der sarkastischen „Chappelle’s Show“ (bislang auf MTV zu sehen), in der Witze über Rassismus zur Tagesordnung gehören, scheint der Sender den Nerv des jungen Zielpublikums immer wieder zu treffen. Kein Wunder, scheuen sich die Programmverantwortlichen auch nicht, Formate auszustrahlen, die einflussreiche Gruppen des öffentlichen Lebens aufs Heftigste angreifen und sich kein Deut um Political Correctness scheren.

Leider müssen sie sich in manchen Fällen trotzdem dem Druck der Mächtigen beugen. So fiel erst kürzlich eine „South Park“-Folge im US-Programm aus. Der Grund: Scientology fühlte sich durch einen gezeichneten Tom Cruise (auch im wahren Leben ein Scientologe) angegriffen, der manisch eine der Hauptfiguren verfolgte, weil er sie für die Wiedergeburt des Scientology-Gründers Ron Hubbard hielt.

Auch Jon Stewart mit seiner „Daily Show“ (bislang in Deutschland nur als wöchentliche Zusammenfassung auf CNN zu haben) sorgt immer wieder für Furore und kommt jetzt auch ins deutsche Comedy-Central-Programm – wenn auch noch nicht gleich zum morgigen Sendestart. Stewart zögert nicht, in seiner Fake-Nachrichten-Show die amerikanische Regierung mit aller Härte und Polemik anzugreifen. Ob er jedoch hierzulande genauso gut ankommt, ist fraglich, da die „Daily Show“ speziell auf die politische Situation in den USA gemünzt ist.

Überhaupt stellt sich die Frage, inwieweit die Zuschauer den Mut schätzen werden, mit dem Comedy Central gegen die Political Correctness verstößt.

Maue ARD-Steckenpferde

Eine Serie wie das ARD-Steckenpferd „Türkisch für Anfänger“, in der endlich mal wieder ein bisschen Mut zum unkorrekten Witz bewiesen wurde, blieb trotz euphorischer Kritiken hinter den Quotenerwartungen zurück. Dabei wirkt „Türkisch für Anfänger“ neben Serien wie „Extras“ und „Little Britain“ wie ein Rosamunde-Pilcher-Film.

Ein weiteres Problem könnte sein, dass es die meisten der britischen und amerikanischen Formate, die auf Comedy Central laufen, schon längst als DVD bzw. Internet-Download gibt. Bleibt zu hoffen, dass sich die Quoten-Erwartungen von Comedy Central – bescheidene 0,8 Prozent Marktanteil im ersten Jahr – erfüllen, denn in jedem Fall ist das Angebot eine Bereicherung für die deutsche Fernsehlandschaft.

Und zu Hause, hinter vorgehaltener Hand, traut sich ja vielleicht auch der deutsche Zuschauer mal, über politisch unkorrekte Witze wie in „Little Britain“ zu lachen. Wird auch keiner sehen, versprochen.