Windkraftanlage umgepustet

Schweißnaht gerissen: Ein Sturm knickt eine 1.000-Kilowatt-Anlage um wie einen Strohhalm. Auf der nahen Autobahn steigen die Leute aus ihren Wagen, um sich den Schrotthaufen anzusehen

von Florian Gerlach

Den orkanartigen Böen am Wochenende ist eine Windkraftanlage bei Besdorf im Landkreis Steinburg/ Holstein zum Opfer gefallen. Wie ein Strohalm knickte der 70 Meter hohe Turm des erst 2003 neben der Autobahn A23 aufgestellten Kraftwerks in rund 15 Metern Höhe ab und stürzte auf eine Weide. Das Windkraftwerk ist schrottreif, austretendes Hydrauliköl musste von einem Spezialfahrzeug abgesaugt werden. Menschen kamen nicht zu Schaden.

Mit aufgewühlter Erde vermengte Getriebeteile, die Rotorblätter wie Erbsenschoten längs aufgeplatzt – das umgestürzte Windkraftwerk ist reif für die Entsorgung, daran zweifelte am Morgen nach dem Unfall niemand. Wie ein übergroßes Nietenhalsband hing der Flansch vom verbliebenen Rumpf. Zu beiden Seiten des Verbindungsstücks zwischen zwei Turmteilen war eine Schweißnaht geplatzt, wie die Fachkräfte des für Reparaturen verantwortlichen Windservice-NF nach einer ersten Begutachtung feststellten. Ob Materialermüdung, ein Ausfall der automatischen Abschaltung bei Sturm oder andere Gründe für den Unfall ausschlag gebend waren, wird derzeit geklärt.

Erkenntnisse zum Unfallhergang erhoffen sich Hersteller, Betreiber und Versicherung vom Rechner der Anlage, der mit Hilfe eines Traktors und von Winkelschleifern noch am Samstagmorgen geborgen wurde. Mit dem Abtransport der Anlage wurde am Wochenende begonnen. Wohl nicht zu früh, denn der spektakuläre Schrotthaufen, gefährdete den Verkehr auf der benachbarten Autobahn. Am Samstag musste die Polizei Verkehrswarnungen herausgeben, weil eine Reihe von Autofahrern ihre Wagen verlassen hatten, um sich an dem Unglück zu weiden.

Das Windkraftwerk war Teil eines Windparks mit insgesamt acht Anlagen der Baureihe 1000. Unter Volllast erzeugt jedes der Windräder eine Leistung von 1.000 Kilowatt. Der Hersteller Repower behauptet, der Windpark sei bisher problemlos gelaufen. Einen gebrochenen Turm habe es bei Anlagen des Herstellers bisher nicht gegeben, versichert Daniela Puttenat, Pressesprecherin bei Repower. Die Garantiepflicht der Anlage sei im Jahr 2005 abgelaufen. Den betroffenen Anlagentyp stelle Repower heute nicht mehr her. An der Ermittlung der Unfallursache habe das Unternehmen dennoch größtes Interesse. Es würden nun alle Anlagen des Windparks Besdorf/ Bokhorst vorsorglich überprüft.

Die freiwillige Feuerwehr Besdorf hatte sich bereits als der Windpark errichtet wurde auf mögliche Havarien vorbereitet. Gemeinsam mit dem Betreiber hätten die Männer mögliche Einsätze durchgesprochen und geübt, sagte Wehrführer Wilhelm Voß. Mehr als die Sicherung des Geländes könne die Feuerwehr vor Ort in einem solchen Fall jedoch ohnehin nicht leisten.

„Das war eine Art Super-GAU für Windkraftanlagen“, sagt Angelo Bargel von der Gewi Husum, der technische Betriebsleiter der Unglücksanlage. Derartige Unfälle seien extrem selten. Während seiner zwölfjährigen Tätigkeit in der Windenergie-Branche habe er von fünf umgestürzten Anlagen gehört. Zum Vergleich: Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie stehen heute in Deutschland gut 18.000 Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von 19.299 Megawatt.