Übergangsparlament in Nepal vereidigt

Nach historischem Friedensschluss ziehen Maoisten mit einem Viertel der Abgeordneten in die Volksversammlung ein

BOMBAY taz ■ In der nepalischen Hauptstadt Kathmandu wurde gestern vollzogen, was noch vor einem Jahr undenkbar war. Ein Übergangsparlament unter Beteiligung der Maoisten wurde vereidigt und eine Übergangsverfassung verabschiedet, die den Weg für eine Regierungsbeteiligung der Maoisten im Himalajastaat ebnen soll.

Im vergangenen November hatten Regierung und Maoisten nach zehn Jahren Bürgerkrieg ein Friedensabkommen unterzeichnet, das den bewaffneten Aufstand der Maoisten beendete. Zuvor hatte – nach Massenprotesten im vergangenen Frühjahr – König Gyanendra seine Alleinherrschaft aufgegeben.

Im gestern vereidigten Parlament sind die 83 Vertreter der maoistischen Kommunistischen Partei die zweitstärkste Fraktion. Unter ihren Mitgliedern sind viele Frauen sowie Vertreter der Bergstämme und der untersten Kasten des Landes. Ebenfalls 83 Abgeordnete hat die sozialdemokratische CPN (UML). Der Nepali Congress hat zwei Mitglieder mehr und bildet damit die stärkste Fraktion. Die restlichen Sitze gehen an die anderen fünf Mitglieder der so genannten Sieben-Parteien-Allianz und einige Splittergruppen.

Das Parlament wird nun eine Regierung wählen, die die Wahlen im Juni durchführen soll. Die Interimsverfassung steht schon seit über einem Monat, die Neubestellung des Parlaments zog sich hingegen in die Länge. Maoisten und Regierung wollten zuerst die Entwaffnung der Rebellen und die Teildemobilisierung der Armee beenden. Diese verzögerte sich aber, weil sich beide Seiten nicht auf die Zahl der Kader und Soldaten und die entsprechende Größe des Waffenarsenals einigen konnten. Auch die UNO hatte Mühe, die Logistik für die Entwaffnung in den Griff zu bekommen. Die Verzögerungen lösten vor allem bei den Maoisten und ihren Sympathisanten wachsende Unruhe aus, da vorerst die Sieben-Parteien-Allianz ohne Beteiligung der Maoisten regierte, deren Entscheidungen auf Kritik stießen. Auch königsfreundliche Äußerungen des Interimsregierungschefs G. P. Koirala wurden von den „Maobadis“ nicht goutiert. Sie reagierten, indem sie in ihren Gebieten die Wiederaufnahme der staatlichen Aktivitäten behinderten und griffen Polizeiposten an. Einige Kader fuhren fort, „Steuergelder“ zu erpressen, darunter auch eine Touristensteuer auf viel begangenen Trekking-Routen. In Kathmandu kam es zu Streiks und Demonstrationen.

Ein Königreich ist Nepal noch immer, aber es verbleibt ihm nicht viel mehr als dieser Name. Der König wird in der Übergangsverfassung kaum erwähnt, die Funktion des Staatsoberhaupts wird vorläufig vom Premierminister ausgeübt. Die Maoisten wollen eine republikanische Verfassung, doch die anderen Parteien sind für die Beibehaltung einer zumindest zeremoniellen Rolle des Königs. Auch die Armee bleibt vorläufig die Royal Nepal Army, ein Zeichen, dass es auch unter den Offizieren viele Königstreue gibt. Doch selbst die Armee blieb von den Ereignissen der letzten Jahre nicht unberührt. Einer der neuen maoistischen Abgeordneten ist ein ehemaliger Armeegeneral. BERNARD IMHASLY