Muslimische Lehrerin muss weiter Hut tragen

Bayerischer Verfassungsgerichtshof: Kopftuchverbot für Lehrkräfte bleibt. Betroffene Frauen greifen zu Alternativen

FREIBURG taz ■Weniger deutlich als erwartet hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof das dortige Kopftuchverbot für Lehrerinnen bestätigt. Das Gericht bejahte nur die zugrunde liegende Regelung im Schulgesetz, ließ aber offen, ob ein Kopftuchverbot im Einzelfall hierauf gestützt werden könnte.

Das bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen wurde 2004 geändert, nachdem das Bundesverfassungsgericht allgemeine Kopftuchverbote nur auf gesetzlicher Grundlage für zulässig erklärte. Anders als in anderen Ländern geht es in Bayern aber nicht um die religiöse Neutralität des Staates. Vielmehr dürfen bayerische Lehrer weiterhin religiös geprägte Kleidung in der Schule tragen. Eine gesetzliche Ausnahme gilt nur für Symbole und Kleidungsstücke, die „auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Grundwerten nicht vereinbar ist“.

Nach Auffassung der bayerischen Landesregierung ist das Kopftuch muslimischer Lehrerinnen ein derartiges unzulässiges Kleidungsstück. Es werde von vielen Betrachtern als Symbol „für eine fundamentalistische Grundhaltung und für die Benachteiligung der Frau“ verstanden, so Ministerialrätin Ingeborg Berggreen-Merkel in der mündlichen Verhandlung. Darauf gingen die Verfassungsrichter jedoch gar nicht ein. „Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs zu überprüfen, welche Symbole und Kleidungsstücke im Einzelnen von der angegriffenen Norm erfasst werden“, betonte der Vorsitzende Richter Karl Huber gestern.

Das geänderte Schulgesetz selbst widerspreche aber nicht der bayerischen Verfassung, stellten die Richter fest. Die Religionsfreiheit der Lehrer sei nicht verletzt, wenn von ihnen eine „an den Grundwerten der Verfassung orientierte Zurückhaltung“ verlangt wird. Auch werde die christliche Religion hier nicht bevorzugt. Wenn das Schulgesetz von christlichen Grundwerten spreche, sei nicht der konkrete „Glaubensinhalt“ gemeint, sondern die christlich geprägten Werte, die „weitgehend zum Gemeingut des abendländischen Kulturkreises geworden sind“.

Ob auf dieser Grundlage Kopftuchverbote erlassen werden können, müsste nun in einem konkreten Fall entschieden werden. Ein solcher Fall existiert bisher in Bayern aber gar nicht. Das bayerische Gesetz diente nur der Selbstdarstellung der Staatspartei CSU. Auch der Kläger, die Islamische Religionsgemeinschaft Berlin, kam von außen. In Bayern sind solche anlasslosen Popularklagen zulässig.

Nach Auskunft des Münchener Kultusministeriums gibt es in Bayern derzeit eine muslimische Lehrerin, die in der Schule absprachegemäß Hut statt Kopftuch trägt. Im Unterricht nehme sie aber auch den Hut ab. Eine zweite Hut-Lösung betraf eine Lehrerin mit Zeitvertrag, die nicht mehr beschäftigt sei. Wie viele muslimische Referendarinnen in Bayern unterrichten und ob diese Kopfbedeckungen tragen, sei dem Ministerium nicht bekannt, so der Sprecher.

Dagegen gebe es in Bayern „einige hundert“ Ordensfrauen und -männer, die in Ordenskleidung an christlichen Privatschulen unterrichten, so das Ministerium. Für Privatschulen gelten die Bekleidungsvorschriften des Gesetzes zwar auch, „aber christliche Kleidung kann angesichts der christlich geprägten bayerischen Verfassung nie verfassungswidrig sein“, meinte der offenherzige Sprecher.

Der Fraktionsvize der Union im Bundestag, Wolfgang Bosbach, begrüßte das Urteil: „Ein islamisches Kopftuch ist die bewusste zivilisatorische Abgrenzung zur westlichen Wertegemeinschaft.“ CHRISTIAN RATH