piwik no script img

Den Wachleuten auf der Spur

NAZIS Die Zentrale Stelle zur Ermittlung von NS-Verbrechern hat 17 Aufseher des Lagers Majdanek im Visier. Doch eine Verurteilung ist bei vielen unwahrscheinlich

Das Greisenalter der Beschuldigten führt häufiger zur Einstellung der Verfahren

VON KLAUS HILLENBRAND

BERLIN taz | Auf der Suche nach NS-Verbrechern ist die Zentrale Stelle zur Aufklärung erneut fündig geworden. Die Ermittlungen gegen 17 ehemalige Aufseher des Konzentrationslagers Majdanek stehen vor dem Abschluss. Das bestätigte der stellvertretende Behördenleiter Thomas Will gegenüber der taz. Der Verdacht lautet auf Beihilfe zum Mord.

Die Ermittlungen gegen drei dieser Personen sind so weit gediehen, dass die Fälle an die zuständigen Staatsanwaltschaften in Stuttgart und Mainz abgegeben werden konnten. Dort muss nun entschieden werden, ob Anklage erhoben wird. In den anderen Fällen hofft Will auf eine rasche Klärung. Allerdings ist nicht klar, ob die Indizien immer ausreichend sind, um einen hinreichenden Tatverdacht zu begründen. Es ist auch möglich, dass einige Tatverdächtige in jüngster Zeit verstorben sind.

Die mutmaßlichen Täter – darunter auch vier Frauen – waren alle als KZ-Aufseher in Majdanek eingesetzt. Sie sind sämtlich über 80 Jahre alt und leben in der Bundesrepublik. Auf ihre Spur kam die Zentrale Stelle nach Angaben von Will vor allem bei der Durchforstung der Zentralkartei der Ludwigsburger Ermittlungsstelle. Es handelt sich um Personen, gegen die nach der älteren Rechtssprechung eine Anklageerhebung nicht möglich war, weil der Beweis für eine individuelle Tat fehlte.

Seit dem Urteil über den Sobibor-Wachmann Iwan Demjanjuk im Jahre 2011 gehen die Ermittler aber davon aus, dass schon die Anwesenheit in einem Lager, das ausschließlich zum Morden diente, für eine Verurteilung ausreicht. Die Beweisführung gestaltet sich dennoch schwierig. Majdanek hatte anfangs die Funktion eines Konzentrationslagers, erst ab 1943/44 wurden dort planmäßig Menschen ermordet. Der Tatbestand der Beihilfe zum Mord liegt nur dann vor, wenn nachgewiesen werden kann, dass die mutmaßlichen Täter zu der Zeit dort eingesetzt waren, als Majdanek als Vernichtungslager fungierte.

Die Ermittlungen der Zentralen Stelle in Ludwigsburg hatten in letzter Zeit zwar mehrfach Erfolg, doch das Greisenalter der Beschuldigten führt immer häufiger zur Einstellung von Verfahren. So haben verschiedene Staatsanwaltschaften in den vergangenen Wochen entschieden, die Ermittlungen gegen 11 von 30 ehemaligen Auschwitz-Wachmännern und -frauen zu beenden, weil diese größtenteils als nicht mehr verhandlungsfähig gelten. Auch im Fall der mutmaßlichen Majdanek-Täter werden längst nicht alle Ermittlungen zu Verurteilungen führen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen