Aussortiert und zwischengelagert

Die Markthalle auf dem Marheinekeplatz wird saniert. Die Händler sind in Container gezogen. Doch nicht alle haben dort ihre Stände wieder aufgebaut. Die Miete in der sanierten Halle ist ihnen zu teuer. Die Verbliebenen freuen sich auf Luft und Licht

Von NANA GERRITZEN

Flair ist was anderes. Statt Stimmengewirr hört man Baulärm, statt Menschenmassen, die sich zwischen bunten Verkaufsständen tummeln, stehen am Marheinekeplatz etwa drei Dutzend einheitliche weiße Container mit grünen Dächern. Verstärkt wird die sterile Atmosphäre durch die rare Kundschaft.

Seit 115 Jahren gibt es die Markthalle am Platz. Doch seit Samstag stehen die Händler draußen vor der Tür. Die Halle wird saniert. Bis November will die Berliner Großmarkt GmbH den traditionellen Verkaufsort im Bergmannstraßenkiez von Grund auf umstrukturieren. Unter anderem soll künftig Tageslicht durch große Glasfronten ins Halleninnere fallen.

Vorerst aber wurden die Stände in kleine Kisten gequetscht. „Alles hier ist preußisch genormt“, witzelt Beate Orth, die einen Stand mit Seifen aus Eigenproduktion betreibt. Mit verschränkten Armen geht sie in ihrer kleinen Verkaufsbox auf und ab. „Wir haben die Tür offen, damit die Leute reinkommen. Deshalb ist es so kalt“, erklärt sie. Das Containerdorf hätten sich wohl Männer ausgedacht, die nie einkaufen, mutmaßt Orth. „In der Halle war es immer trocken und warm – hier gibt es nicht mal vorgebaute Dächer.“ Mütter hätten bei Regen keine Möglichkeit, ihren Kinderwagen unterzustellen, klagt die Händlerin. Für ältere Kunden stelle die Stufe vor dem Container ein Hindernis dar. Auch an die Händler wurde nicht gedacht. „Früher hat der Standnachbar von gegenüber auf meinen Stand aufgepasst, wenn ich mal auf Toilette musste“, sagt Orth, heute muss sie jedes Mal alle Auslagen einräumen und zusperren.

Schon vor Baubeginn waren die Pläne der BGM heftig kritisiert worden. Der Mieterrat Chamissoplatz befürchtete, dass durch die aufwändige und damit teure Sanierung ein Teil der Händler vertrieben werde. Doch der Hallenbetreiber blieb bei seinem Konzept. Ein gutes Dutzend der ursprünglich rund 40 Händler hat seit der Schließung der Halle am 6. Januar keinen Platz mehr. Zwar durften alle Händler in das benachbarte Containerdorf umziehen – aber nur, wenn sie sich vorab verpflichteten, zu den neuen Konditionen in die renovierte Halle zurückzuziehen.

Klaus-Dieter Paul ist hin- und hergerissen. Seit 30 Jahren kauft er in der Halle ein. Einerseits sei es gut, dass in Kreuzberg endlich mal was vorangehe, meint der 55-Jährige. Der Umbau sei in dieser Gegend das erste öffentliche Bauvorhaben seit hundert Jahren. Andererseits leide die Ästhetik unter dem Umbau. „Die Container sind schon ziemlich fantasielos. Und der Einkauf dauert viel länger“, so Paul.

Der Betreiber des Standes „Yalda – Trockenfrüchte“ hingegen atmet auf. „Sechs Jahre konnte ich nur drei Meter weit gucken und habe jeden Abend nach Rauch gestunken“, sagt der Händler, der nicht namentlich erwähnt werden will. Er freue sich schon jetzt auf die neue Halle, in der es mehr Licht, eine funktionierende Klimaanlage und vor allem Rauchverbot geben soll. Mit dem Einzug hat er es aber nicht eilig: „Von mir aus könnten wir immer draußen bleiben. Hier kann ich den Himmel sehen. Das ist Luxus!“

Auch Bärbel Lorenzen ist guter Dinge. Seit 39 Jahren betreibt sie einen Stand für Obst und Gemüse. Anfangs habe sie die Pläne der BGM kritisch gesehen, nun sei sie angenehm überrascht vom Händlerdorf, erzählt die 62-Jährige. Der Verkauf laufe gut. Zudem müsse sie für den Container weder Miete noch Nebenkosten bezahlen. Solange Vielfalt und persönliche Beratung erhalten bliebe, sei für sie „allet in Ordnung“. „Drinnen muss ich dann auch nicht viel mehr bezahlen“, sagt Lorenzen. Lediglich die Pauschale für Werbung und Nebenkosten sei etwas gestiegen. „Die neue Halle wird auf jeden Fall ein Gewinn“, sagt die Obsthändlerin.

Frank Aner jedoch hat seinen Stand verloren. Mit seiner Frau hatte er in der Halle den Imbiss „Mona’s Snack Eck“ betrieben. Jetzt gehört er zu dem guten Dutzend Händler, die aus der Halle aus-, aber nicht ins Containerdorf eingezogen sind. „Die neuen Konditionen hätten wir einfach nicht tragen können“, erklärt Aner. Der Quadratmeterpreis für seinen Stand sollte von 30 auf 38 Euro angehoben werden – bei gleichzeitig wachsender Konkurrenz. Statt bisher sechs Gastronomieständen sollte es in der neuen Halle zwölf geben. Auch hätte er auf seine Sitzecke verzichten müssen. „Undenkbar“, sagt Aner, „viele meiner Kunden waren ältere Leute, die sich bei einem Kaffee in Ruhe unterhalten wollten“.

Wie es für ihn weitergeht, ist offen. Frank Aner sucht nach einem neuen Ort für seinen Imbiss. Dass es seinen Stand in der Marheinekehalle nicht mehr geben wird, bedauert er sehr: „Den Imbiss gab es schon immer, es war einfach ein netter Multikulti-Treffpunkt, den jeder kannte.“