Überschätzte Hasspropaganda

KINO & POLITIK Der zweite Teil von „Tal der Wölfe“ hat das gleiche antisemitische Anliegen wie sein Vorgänger. Eine Podiumsdiskussion wollte das genauer in den Blick kriegen

Auf dem Podium wurde immer wieder das Verbot des Films gefordert

VON NINA SCHOLZ

„Tal der Wölfe – Palästina“, der seit dem 28. Januar 2011 in einigen deutschen Kinos läuft, ist der teuerste türkische Film aller Zeiten und, so wird aktuell von vielen vermutet, auch der gefährlichste. Das wollten die Heinrich Böll Stiftung und das American Jewish Comitee (AJC) genauer wissen und veranstalteten vergangenen Mittwochabend ein Gespräch zum Thema in Berlin.

Auf dem Podium saßen Cigdem Mater, Filmproduzentin und Journalistin aus Istanbul, Özcan Mutlu, Bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, und Emmanuel Nahshon, Gesandter der Israelischen Botschaft in Berlin, der nicht zuletzt eingeladen worden war, weil er auch schon eine Weile in Istanbul gearbeitet hat. Marianne Zepp von der Böll-Stiftung moderierte den Abend. Die Diskussion selbst war meist unscharf und schwammig, denn den Film hatte kaum jemand gesehen und er wurde auch nicht gezeigt. Ausgestrahlt wurde lediglich ein Trailer, versehen mit dem Kommentar, dass es um mehr dem Film auch nicht gehe.

Schnell waren sich alle auf dem Podium einig, dass „Tal der Wölfe – Palästina“ ein antisemitischer und propagandistischer Film ist. So weit, so richtig, allerdings wurde die Kritik am Film selbst schnell mit einer Antihaltung gegenüber dem Actionkino im Allgemeinen vermischt. Der Film sei ein „Rambo- und Gewaltfilm“, hieß es da. Fast alle Parteien auf dem Podium haben sich des Vokabulars bedient, das man sonst auch für eine vereinfachende Kritik am System Hollywood nutzt, schnell wurde es moralisch: Es wurde sich beschwert, dass er keine Handlung habe, und die vier Brüder, die den Film im Familienunternehmen produziert, gedreht und in die Kinos gebracht haben, wurden als geldgierig angegriffen, dagegen leider nur selten als die rechtskonservativen Ideologen, die sie sind.

Filmisch lächerlich

Das Perfide an „Tal der Wölfe – Palästina“ ist die Übertragung aus Presseschnipseln, Informationen über die israelische Politik und antijüdischen Ressentiments in Bilder des Blockbusterkinos. Die Struktur des Actionkinos wird genutzt, um die Dualität zwischen Gut und Böse in den Kampf zwischen einem als allmächtig imaginierten Israel und den von ihm unterdrückten Muslimen umzudeuten. Nicht nur das: Auch die Palästinenser kommen in dem Film nicht gut weg. Sie werden als unfähige, wehrlose Opfer der israelischen Politik porträtiert, die der Hilfe des großen Bruders aus der Türkei bedürfen, wie Zepp richtig anmerkte. Leider konnte der erschreckende und facettenreiche Antisemitismus im Film nur hypothetisch diskutiert werden. Stattdessen sprach man, basierend auf äußerst subjektiven, schwierig zu verallgemeinernden persönlichen Erfahrungen über das Verhältnis zwischen der Türkei und Israel, dessen diplomatische Wichtigkeit im Nahen Osten nicht zu unterschätzen ist, das aber seit dem Flotilla-Debakel vom 31. Mai 2010 als angespannt bezeichnet werden kann.

Der israelische Einsatz gegen die „MV Mavi Marmara“, bei der neun Aktivisten getötet wurden, ist Ausgangspunkt von „Tal der Wölfe – Palästina“. Im Film wird der israelische Einsatz als unverhältnismäßig brutales Vorgehen gegen hilflose Zivilisten dargestellt. Der Oberbefehlshaber Mosche Ben Eliezer (dargestellt von Erdal Besikcioglu, bekannt aus dem Gewinner des Goldenen Bären 2010 „Bal – Honig“) gibt den Einsatzbefehl: „Geht und zeigt der ganzen Welt, wer Israel ist!“ Daraufhin wird er im Rest des Films vom Helden der Filmreihe Polat Alemdar (Necati Sasmaz) und seinen drei Begleitern gejagt. „Tal der Wölfe 2“ ist von seinem ideologischen Auftrag so besessen, dass er im filmischen Ergebnis lächerlich und simpel wirkt.

Mittlerweile ist auch davon auszugehen, dass der Film nicht die Gefahr birgt, wie es teilweise suggeriert wird. In der Türkei haben ihn seit dem Start vor zwei Wochen 1 Million Zuschauer gesehen, im Gegensatz zum ersten Teil „Tal der Wölfe – Irak“, den am ersten Wochenende schon 1,1 Millionen und insgesamt über 4 Millionen Zuschauer sahen. Özcan Mutlu berichtete, dass er den Film zwar in einem gefüllten Saal in Berlin geschaut habe, die erwarteten Reaktionen aber ausgeblieben wären. Trotzdem wurde auf dem Podium immer wieder das Verbot des Films gefordert. Eine Lehrerin im Publikum unterstrich die Sinnlosigkeit der Zensur mit dem Verweis auf ihre Schüler, die den Film bereits vor Wochen auf einschlägigen Streaming-Seiten gesehen hätten. Interessant wurde es am Mittwochabend immer dann, wenn es darum ging, ob „Tal der Wölfe – Palästina“ einen Einblick in das Verhältnis zwischen der Türkei und Israel gibt. Aber wie soll man darüber diskutieren, wenn das Sujet den meisten nicht bekannt ist? So bleibt „Tal der Wölfe – Palästina“ ein dämonisiertes Abstraktum, über dessen Inhalt, Form und Wirkung an diesem Abend meistens nur spekuliert wurde.