„Irgendwie einseitig“

PR Presseabteilungen verschicken fertige Artikel an die Redaktionen – und die greifen aus Kostendruck immer öfter zu. Eine bedenkliche Entwicklung

Die Pressestelle der Asklepios-Kliniken in Hamburg geht andere Wege und verschickt keine fertigen Texte. Stattdessen bietet man sich daher mehr als Expertenmakler mit einer 24-Stunden-Bereitschaft an

Samstag, Frühstück, Zeitung in der Hand. Wissenschaft aus dem Ort, eine ganze Seite. Tolle Fotos, langweiliger Text. Denn dieser ist eine leidlich redigierte Pressemitteilung. Immer häufiger greifen Redaktionen zu Beiträgen, die nicht selbst recherchiert und geschrieben sind, sondern direkt aus den Pressestellen kommen.

„Das geht gar nicht“, schimpft Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). Public Relations, die Beziehungen zur Öffentlichkeit, seien für die Unternehmen wichtig, dürften aber keinesfalls ungeprüft veröffentlicht werden. Ein solches Vorgehen würde zu einem schleichenden Vertrauensverlust bei den Lesern führen.

Die bemerken die Schummelei in der Regel nicht auf Anhieb. Pressestellen sind inzwischen mit gut ausgebildeten Autoren besetzt, das Material wird druckfähig geliefert. Da ist die Versuchung, bei Zeitdruck und Personalmangel einfach einen PR-Text ins Blatt zu heben, groß. An diesem Wochenende beschäftigt sich das Netzwerk Recherche bei der „Fachkonferenz PR & Journalismus“ an der Uni Hamburg mit dem Thema.

„Aber was sollen wir tun?“, fragt ein Zeitungsredakteur, der seit Jahren mit dem Problem kämpft. Zörner führt das auf die Sparrunden zurück. „In Wochenendreden sprechen die Verleger immer von Qualität und Seriosität“, sagt er. In der Woche würden dann aber die kühlen Rechner regieren.

Und die sagen anscheinend, dass es reicht, wenn fertiges PR-Material genutzt wird. Das gibt es zuhauf. Auch im Internet finden sich vielfältige Angebote. Unter www.presseportal.de bietet die dpa-Tocher News Aktuell ein Vollsortiment aus Text, Bild, Audio und Video feil. Zahlreiche andere Anbieter stehen ebenfalls mit „Content“ bereit.

Fertige Texte gibt es aber nicht überall. „Wir machen das nicht, das ist auch nicht unsere Aufgabe“, sagt Rudi Schmidt, Chef der Unternehmenskommunikation der Asklepios-Kliniken in Hamburg. Man habe sich dem Pressekodex unterworfen und arbeite entsprechend. Die Pressestelle bietet sich daher mehr als Expertenmakler an und vermittelt Hintergrundwissen, zusätzlich werden Presseanfragen beantworten. Dazu geht er mit seinem Team einen anderen Weg: mit einer 24-Stunden-Bereitschaft. „Wir haben erlebt, dass vieles falsch berichtet wurde und medizinische Fakten nicht stimmen“, begründet Schmidt. Auch gebe es in den Einrichtungen des Konzerns immer mal wieder Prominente, auch bei Katastrophen würde Fachwissen angefragt.

Dennoch – auch Schmidt beobachtet durchaus eine Voll-Service-Mentalität bei einigen Journalisten, die am liebsten fertige Inhalte geliefert bekommen wollen. „Es gibt sogar Angebote, für Artikel bezahlt zu werden“, berichtet er. Aber das verbiete sich schon aus Neutralitätsgründen und vernichte die Glaubwürdigkeit einer Pressestelle. Dass die Bedienmentalität der Qualität auf Dauer schade, ist auch für Klinik-Sprecher Schmidt ganz klar.

Und was sagt der Leser? DJV-Mann Zörner glaubt an eine reinigende Wirkung – aber nur auf Dauer. „Den Einzelfall wird er nicht bemerken“, glaubt er. Doch wenn immer wieder Pressetexte statt Redakteursartikeln zu finden sind, werde er stutzen. „Die kritische Würdigung und der andere Blick fehlen bei solchen Artikeln“, sagt Zörner. Und wenn ein Zeitungsabonnent immer wieder feststelle, dass die Darstellung „irgendwie einseitig“ ist, dann würde er sich überlegen, eine andere Zeitung zu kaufen.

Was den Kostendruck natürlich noch einmal erhöht.

FRANK MIENER