„Bin ich das, der da stört?“

Sozialarbeiterin Anja Schwarzbäcker setzt bei Schulverweigerung auf Kooperation mit Lehrern und Schülern

taz: Frau Schwarzbäcker, wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag bei Ihnen aus?

Anja Schwarzbäcker: Ich fahre morgens zu einer Schule und hoffe, dass die von mir betreuten Schüler anwesend sind, um mit ihnen ein Gespräch zu führen.

Was besprechen Sie dort?

Ich habe mit den Schülern eine Zielvereinbarung geschlossen. Die Schüler erklären, dass sie regelmäßig am Unterricht teilnehmen oder diesen nicht mehr stören wollen. Am Ende eines Monats schauen wir dann, ob sie diese Ziele erreicht haben.

Betreiben Sie dabei Ursachenforschung?

Teilweise schon. Die Gründe für das Scheitern sind jedoch individuell. Gemeinsam mit Lehrern und Schulsozialarbeitern vor Ort erarbeiten wir dann Alternativen, um den Schülern zu helfen.

Wie können die aussehen?

Nachmittags bieten wir ein Förderprogramm an. In schwierigen Fällen können die Schüler eine Zeit lang den Klassenverbund verlassen und ganztägig an der Schülerwerkstatt und dem Fördersystem teilnehmen. Die Schüler lernen sich im Freizeitbereich ganz anders kennen als im Unterricht.

Und was bringt das für den Unterricht?

Das lässt sich nur schwer verallgemeinern. Wir arbeiten ja auch erst seit Mitte Oktober auf diese Weise. Bei einem Schüler haben sich allerdings die Fehlstunden schon jetzt um ein Drittel reduziert, bei anderen gibt es Rückschritte, wieder andere stagnieren. Es ist nicht so, als könnten wir alles sofort verbessern. Das ist ein langer Prozess.

Wie viel schwänzen die Schüler, die Sie betreuen?

Manche fehlen komplett, einige gehen nur sporadisch in die Schule. Manche verweigern die Schule auch, indem sie den Unterricht so lange stören, bis sie der Klasse oder sogar der Schule verwiesen werden.

Wie versuchen Sie, solche Kinder zu erreichen?

Wir versuchen, das Verhalten zu reflektieren: Bin ich das, der da stört? Was muss ich ändern, damit die Situation nicht immer auf die gleiche Weise eskaliert?

Das neue Schulgesetz in NRW sieht vor, dass Schulschwänzer von der Polizei abgeholt werden und ab 14 Jahren ein Bußgeld zahlen sollen. Was halten Sie davon?

Das kann bei dem einen funktionieren, dass er aufwacht und sagt: „Oh, da passiert was.“ Wenn Sie jetzt wirklich was in der Hand haben, kann das den einen oder anderen aufschrecken. Manchen stört‘s aber überhaupt nicht.

INTERVIEW: C. WERTHSCHULTE