Gammelfleisch am Bratspieß

Ein Geflügelhändler aus dem Kreis Cloppenburg soll mit Gammelfleisch gehandelt haben. Ein Geständnis lehnte er beim Prozessauftakt vor dem Oldenburger Landgericht allerdings ab

aus Oldenburg ANNEDORE BEELTE

Niemand erhob Einspruch, als Alfons Bünnemeyer mit seinem LKW vor einem Hamburger Kühlhaus vorfuhr. Er lud mehr als sieben Tonnen Putenfleisch ein, das die Staatsanwaltschaft ein halbes Jahr zuvor wegen seines miserablen Zustands beschlagnahmt hatte. Von einem Geschäftspartner, dem die Putenkeulen laut Bünnemeyer zu diesem Zeitpunkt noch gehörten, will er den Hinweis bekommen haben, er könne das Fleisch jetzt abholen.

„Ich hätte die Ware ja nicht bekommen, wenn sie von der Staatsanwaltschaft nicht freigegeben wäre“, so Bünnemeyers Logik. Noch von unterwegs aus vereinbarte er den Weiterverkauf des Fleisches. Bünnemeyer fuhr direkt nach Schwerin, um die Keulen auszuliefern, die Kunden bei späteren Reklamationen als „grau“ und „stinkend“ beschrieben. Andere Kunden waren weniger zimperlich – das Fleisch wurde in mehreren Großküchen verarbeitet.

Beim Prozessauftakt vor dem Oldenburger Landgericht wurden dem 46-jährigen Geflügelhändler aus Lastrup im Kreis Cloppenburg neben diesem Coup 45 weitere Straftaten zur Last gelegt. Der bereits in den achtziger Jahren zu Bewährungsstrafen verurteilte Kaufmann war 2004 nicht mehr zahlungsfähig, bestellte jedoch weiterhin Putenfleisch im Wert von mehreren hunderttausend Euro. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, ein Insolvenzverfahren verschleppt zu haben. In den Folgejahren brachte Bünnemeyer laut Anklage wiederholt „nicht verkehrsfähiges“ und verdorbenes Fleisch auf den Markt. Er etikettierte seine Ware irreführend und spritzte altes Fleisch mit einem „Pökelinjektor“ auf. Mit Hilfe von Wasser, Pökelsalz und einem Bindemittel wurde das Fleisch schwerer gemacht.

Im November 2005 wurde Bünnemeyer die Erlaubnis entzogen, mit Fleisch zu handeln. Er verlor mit der Bezeichnung „zugelassener EU-Betrieb“ auch das Recht, eine EU-Kontrollnummer zu verwenden. Trotz des Verbotes gelang Bünnemeyer der Coup in Hamburg. Das entwendete Fleisch verkaufte er mit der alten Kontrollnummer. Schließlich war es ja auch altes Fleisch. Es sei produziert, bevor die Sanktionen gegen ihn verhängt wurden, argumentierte der Angeklagte.

Die Staatsanwaltschaft forderte nach Verlesung der Anklageschrift ein Berufsverbot. Der Vorsitzende Richter bot Bünnemeyer einen Deal an: Bei einem Geständnis könne er mit einem Nachlass von einem Drittel der Strafe rechnen. Ansonsten müsse er sich auf etwa sechs Jahre Gefängnis einstellen. Der Familienvater lehnte ab: „Kein Anklagepunkt entspricht der Wahrheit“, befand er. Dadurch wird an den nächsten Verhandlungstagen eine umfassende Beweisaufnahme nötig. Er habe selbst Proben des von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Fleisches entnehmen lassen, sagte Bünnemeyer. Die seien angeblich in Ordnung gewesen. „Wenn Stichproben beanstandet wurden, heißt das nicht, dass die ganze Ware verdorben ist. Das ist kein Gammelfleisch“, sagte Verteidiger Axel Husheer. Reklamationen wegen mangelnder Frische seien in der Branche gang und gäbe, sagte der Angeklagte.

Laut den Geschäftsbüchern trat Bünnemeyer als Verkäufer des entwendeten Fleisches auf, der Händler N. hatte als Makler die Kunden vermittelt. Bünnemeyer widersprach dieser Darstellung: N. sei Zwischenhändler gewesen, dem er die Ware verkauft und lediglich für ihn ausgeliefert habe. Als N. Verdacht schöpfte, versicherte ihm Bünnemeyer brieflich, die Ware stamme „nicht aus sichergestelltem Bestand“. In der Verhandlung konnte der Kaufmann nichts Falsches daran finden: Die Ware, die sich gerade in seinem Lieferwagen befand, konnte schließlich nicht gleichzeitig sichergestellt sein.