Die Neuen drängen auf Mitgliedschaft

Beim Gipfel der Mercosur-Staaten steht die Zukunft der Regionalintegration Lateinamerikas auf der Tagesordnung

BUENOS AIRES taz ■ Das zweitägige Gipfeltreffen der Mercosurstaaten, das heute im brasilianischen Rio de Janeiro beginnt, wird der erste internationale Auftritt des frisch gebackenen ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa. Der hatte angekündigt, sein Land näher an den Mercosur heranzuführen. Ecuador ist wie Chile, Peru, Kolumbien und Bolivien assoziiertes Mitglied der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Die Präsidenten der Vollmitglieder Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Venezuela werden gespannt sein, was Correa zu sagen hat.

Genau hinhören wird auch Boliviens Präsident Evo Morales. Die Vollmitgliedschaft seines Landes steht als wichtigster Punkt auf der Tagesordnung in Rio. Morales hatte dem turnusmäßigen Mercosur-Vorsitzenden, dem brasilianischen Präsidenten Lula, schriftlich mitgeteilt, dass er die Aufnahme seines Landes so schnell wie möglich erreichen möchte. Jedoch sickerte bereits durch, dass Morales lediglich mit einer Erklärung über den offiziellen Beginn der Beitrittsverhandlungen rechnen kann und mit der Bildung einer entsprechenden Arbeitsgruppe.

Die Mitgliedstaaten zögern, denn Bolivien ist mit Peru, Kolumbien und Ecuador gleichfalls Mitglied in der Andengemeinschaft CAN. Nach Morales’ Vorstellungen soll Bolivien zukünftig beiden Wirtschaftsblöcken angehören. Experten warnen jedoch, es sei unmöglich, gleichzeitig zwei Zollunionen mit unterschiedlichen Außentarifen anzugehören. Venezuela war 2006 vor seinem Beitritt in den Mercosur aus der Andengemeinschaft ausgestiegen.

Doch das bolivianische Institut für Außenhandel hat vorgerechnet, dass ein Verlassen der CAN den Ruin tausender von bolivianischen Bauern bedeuten würde. Die, die heute noch in die Nachbarstaaten exportieren, könnten bald der Konkurrenz innerhalb des Mercosur zum Opfer fallen, während gleichzeitig die Produzenten für den eigenen Binnenmarkt durch Nahrungsmitteleinfuhren aus Brasilien und Argentinien gefährdet wären. Und von der Landwirtschaft hängen erheblich mehr Arbeitsplätze ab als von den Gaslieferungen.

Kein Wunder also, dass Evo Morales in Rio den Spagat proben wird. Ganz anders als 2006 sein venezolanischer Amtskollege Hugo Chávez. Der war mit lautem Gepolter aus der Andengemeinschaft ausgetreten, nachdem Peru und Kolumbien jeweils ein bilaterales Freihandelsabkommen mit den USA unterzeichnet hatten.

In den Freihandelsabkommen sieht jedoch Brasiliens Außenminister einen Lösungsweg. Von einer einheitlichen Zollunion könne ab dem Zeitpunkt, zu dem die bilateralen Freihandelsabkommen von Peru und Kolumbien mit den USA in Kraft treten, nicht mehr die Rede sein, so Celso Amorim. Womit Boliviens Wunsch, in der CAN zu verbleiben und dem Mercosur beizutreten, doch erfüllt werden könne.

Dies wiederum werden die Kleinen des Mercosur, Uruguay und Paraguay, aufmerksam verfolgen. Die beiden Mitgliedstaaten wurden bisher nur durch Druck und die Vertragsstatuten daran gehindert, ihrerseits ein Freihandelsabkommen mit den USA auszuhandeln. Schon lange beklagen sie sich, dass sie innerhalb des Mercosur ökonomisch in die Ecke gedrängt werden. Während Brasilien 2005 mit seinem Bruttoinlandsprodukt 68 Prozent des Mercosur einschließlich Venezuelas ausmachte, kamen Uruguay und Paraguay auf jeweils ein Prozent. Argentinien kam auf 23 und Venezuela auf 7 Prozent.

Uruguay und Paraguay wurde deshalb auf dem letzten Treffen die Einrichtung eines Strukturausgleichsfonds zugesagt. Ausgestattet ist der Fonds mit 100 Millionen Dollar. 48 Prozent gehen für Projekte an Paraguay, 32 an Uruguay, für Brasilien und Argentinien sind je 10 Prozent vorgesehen. Das sehen Uruguay und Paraguay nur als Anfang – sie fordern eine Nachbesserung.

JÜRGEN VOGT