FASZINIEREND

24. Minute, Flanke Lahm, Tor Kroos

Kinder, werden wir sagen, wenn wir einst über die WM 2014 reden: Jogi Löw! 7:1! Gegen Brasilien! Das ist in Ordnung, denn im Fußball geht es um die Erzeugung und Bewahrung großer Gefühle. Und es gibt kein anderes deutsches WM-Spiel – das 3:2 von Bern 1954 mal außen vor –, das ähnlich spektakulär war wie dieses Halbfinale. Das lag auch an den Brasilianern, aber es gehören immer zwei dazu.

Das Bemerkenswerte besteht darin, dass Bundestrainer Joachim Löw einen mutigen Mix aus Strategie, Balance, Eleganz und Spektakel auf den Platz gebracht hat. In dem Moment, als es wirklich galt. Inmitten einer unsachlichen öffentlichen Auseinandersetzung, in der Gegner und Meinungsmitläufer nach den „deutschen Tugenden“ riefen, die es nie gab.

Löw ließ sich nicht auf ein Duell der Physis, der Standards oder der Tricks ein, sondern ließ Jogi-Fußball spielen, einen atemberaubenden Umschalt- und Kombinationsfußball, der das spielerische Potenzial der deutschen Mannschaft zeigte und nutzte. Was man auch sah: Mit Manuel Neuer, Philipp Lahm und Thomas Müller und vielleicht auch Mats Hummels hat das Team drei oder vier Spieler, die auf ihren Positionen solitär sind. Die Wege nach vorn geht Khedira, die Pässe spielt Kroos. Derweil der Bastian Schweinsteiger der Spätphase mit kleinen Pässen variiert und strukturiert. „Die Deutschen haben heute wie Brasilianer gespielt“, sagte Brasiliens Trainer Felipe Scolari. Aber das ist das Denken der Vergangenheit. Die Wahrheit ist: Die Deutschen haben wie Deutsche gespielt. Sie haben dadurch die brasilianische Mittelmäßigkeit entblößt und die eigene überwunden.

So hat Joachim Löws Team diese WM bereits vor dem Finale gewonnen. Denn mit oder ohne Titel: Besser, schöner, aufwühlender und in der Erinnerung bleibender wird es nicht mehr. Es ist faszinierend. PETER UNFRIED

■  Ausführlicher Kommentar von Peter Unfried auf taz.de